Das Bordprogramm? Menschen bei der Arbeit zusehen. Klingt nicht aufregend, ist auf der Sea Cloud II aber die Essenz des Reiseerlebnisses. Erst recht für eine Landratte, die zum ersten Mal auf Kreuzfahrt geht. Kein Animateur, kein Pool, kein Bespaßungszwang lenkt ab vom Wesentlichen: der See, dem Wind, den Inseln am Horizont – und der beeindruckenden Takelage eines Dreimast-Rahseglers.

Keine Sorge, der Seemannsgarn bleibt dort, wo er hingehört. Auf einer Segelkreuzfahrt um die Kanaren wird man nicht gleich zum Reserve-Kapitän. Eher zum Müßiggänger, der sich zwischen Frühaufsteher-Frühstück und Mitternachtssnack bis zu sechsmal am Tag an den Köstlichkeiten der Küche delektieren kann.

Lässt das Wetter es zu, wird unter freiem Himmel gespeist
Lässt das Wetter es zu, wird unter freiem Himmel gespeist © Wilfried Rombold

Erst aber die Arbeit! Die nautische Crew macht gut die Hälfte der 65-köpfigen Besatzung der Sea Cloud II aus. Alle Segel – das können bis zu 23 sein – werden mit der Hand gesetzt, mit Tauen, Flaschenzügen oder Muskelkraft in Position gebracht. Fast lautlos gibt der Bootsmann die Kommandos und schickt die Matrosen auf die bis zu 57 Meter hohen Masten. Gurt und Karabiner mögen zwar vor dem Absturz schützen, nicht aber vor Schwindel.

Erstbesteigung

Auch Malte zeigt Respekt vor dem Vordermast: „Nein, so hoch bin ich noch nie hinauf geklettert.“ Drei Tage lang durfte 18-jährige Deutsch-Däne vor allem schrubben und polieren, aber jetzt lassen sie ihn zum ersten Mal hinauf zum Rah um das Segel festzubinden. Bald kennt man als Passagier die Gesichter der Crew und, wenn man will, von manchen auch ihre Geschichten.

Malte (18) darf das erste Mal hinauf
Malte (18) darf das erste Mal hinauf © Wilfried Rombold

Kapitän Christian Pfenninger aus der Schweiz ist ebenso gerne für einen Plausch zu haben, wenn er auf dem Brückendeck wieder einmal nach dem Wind Ausschau hält. Denn eines darf man auf der Sea Cloud II nicht erwarten: Ständig mit straffen Segeln über die Wellen zu gleiten. Zwischen Teneriffa und La Gomera kann es schon einmal passieren, dass der Passat hier zu schwach und dort zu stark pfeift. Bleiche Gesichter an halb leeren Frühstückstischen zeugen von einer turbulenten ersten Nacht auf rauer See.

An Bequemlichkeit mangelt es an Deck nicht
An Bequemlichkeit mangelt es an Deck nicht © Sea Cloud Cruises /Dirk Weyer

Und wem ein wenig Schaukeln nicht Abenteuer genug ist, der lauscht den Lektoren an Bord. Burghard und Eckhard Pieske haben bereits die Welt umsegelt, ganz ohne Luxus, jeder für sich in seiner „Nussschale“. Die Erzählungen der Brüder würden eine Atlantik-Überquerung füllen. Aber diese Reise macht die Sea Cloud II (noch) ohne mich.