Während Mailand dank der Expo eine Renaissance erlebt und zum Magnet für Stararchitekten, VIPs und Millionen Besuchern aus der ganzen Welt aufgerückt ist, versinkt Rom immer tiefer in seiner Misere. Von Korruptionsermittlungen und Verkehrsproblemen belastet, schmutzig und ineffizient: Die Ewige Stadt wird derzeit mit einer Talfahrt ohne gleichen konfrontiert.

Migrationswelle und hohe Schulden

Im ewigen Duell mit dem Rivalen Mailand zieht Rom derzeit den Kürzeren. Während täglich Staatschefs und Prominente aus der ganzen Welt zur Weltausstellung in der lombardischen Metropole pilgern, die sich zu diesem Anlass herausgeputzt hat und ihr glänzendes Weltstadt-Antlitz zeigt, muss sich Rom mit mafiöser Unterwanderung des Gemeinderats, Chaos im Nah- und Flugverkehr, Kriminalität und Hygiene auseinandersetzen. Auch die wachsende Armut nach Jahren der Krise, die massive, ungeregelte Migrationswelle und ein riesiger Schuldenberg setzen der Ewigen Stadt zu. Von "Dolce vita" ist keine Spur mehr: 1.500 Jahre nach dem Ende des Römischen Reiches erlebt Rom einen neuerlichen Niedergang.

Augenfälliger könnte der nachlässige Umgang der Drei-Millionen-Stadt mit ihrer historischen Größe kaum sein. Obdachlose schlafen in den Tempelruinen, Flüchtlinge campieren in den Parks. Die Grünfläche Colle Oppio mit Ausblick auf das Kolosseum gleicht einer Müllhalde. Die Müllabfuhr ist überfordert. Der Druck des Massentourismus in der Innenstadt, überfüllte Deponien und Mangel an einer effizienten Recycling-Strategie haben in den vergangenen Monaten zu einem hygienischen Desaster geführt. Der Unrat türmt sich unter sengender Hitze auf den Straßen. Sind die Container voll, deponieren die Menschen ihren Abfall auf dem Gehsteig. Die kommunale Müllentsorgungsgesellschaft AMA mit tausenden Mitarbeitern wird der Ineffizienz bezichtigt. Ihre Manager sollen sich jahrelang durch Günstlingswirtschaft und Korruption bereichert haben, während die Stadt im Schmutz untergeht.

"Mafia Capitale"

Generationen lang hat sich Rom auf der Glorie seiner Vergangenheit ausgeruht, statt darauf aufzubauen. Davon haben kriminelle Organisationen profitiert, wie die Ermittlungen rund um "Mafia Capitale" mit der Festnahme von über 50 Personen vor kurzem bezeugt haben. Ein Kartell aus mafiösen Unternehmen erkaufte sich mit Schmiergeldern die Gunst von Funktionären und Politikern. Von der organisierten Kriminalität unterwanderte Genossenschaften sollen laut Roms Staatsanwälten unter anderem Flüchtlingseinrichtungen betrieben haben, um einerseits satte Profite einzustreichen und andererseits Politiker und Verwaltungsmitarbeiter zu schmieren. Diese Missstände haben ein Riesenloch in die Gemeindekassen gerissen. Rom steht seit Jahren am Rande des Bankrotts.

Massimiliano Tonelli kennt sich wie wenige mit den Schattenseiten der Hauptstadt aus. Der 35 Jahre alte Journalist zählt zu den meistgelesenen, aber auch am meisten angefeindeten Bloggern der Stadt. Der Name seines populären Blogs spricht Bände: "Rom ist zum Kotzen" (www.romafaschifo.com). Dort veröffentlicht Tonelli Bilder und Beiträge, welche die tägliche Anarchie in seiner Stadt bezeugen. Bürger helfen dabei eifrig mit und liefern Fotos und Videos der täglichen Verschandlung der Schönheit in der Ewigen Stadt. "Wer hat die schönste Stadt der Welt so zugerichtet?", fragt sich Tonelli in seinem Blog. Inzwischen hält er Vorlesungen an Universitäten, Tonelli wurde wegen seines Einsatzes mit dem Titel "Römer des Jahres" ausgezeichnet. Die Beiträge aus seinem Blog sammelt selbst der Bürgermeister Ignazio Marino zur Dokumentation über die Zustände in der Stadt.

Chaos am Flughafen hält an

Erschwert wird das alles noch durch die akuten Verkehrsprobleme. Der römische Flughafen Rom Fiumicino kämpft immer noch gegen die Folgen eines im Mai ausgebrochenen Brandes. Obwohl nur ein Terminal von den Flammen zerstört wurde, werden heute noch täglich fast 40 Prozent der Flüge am größten italienischen Airport gestrichen. Wegen des Feuers sei der Flughafen mit Dioxin und anderen gesundheitsgefährdenden Stoffen kontaminiert, heißt es. Experten streiten darüber, ob der Flughafen eventuell sogar ganz geschlossen werden soll, treffen jedoch keinen Entscheid. Und das ausgerechnet zur Zeit des größten Sommerverkehrs: Die Belastung für die Touristen ist enorm.

Ein Kapitel für sich ist die Lage der öffentlichen Verkehrsmittel. Ein Streik der Bediensteten der Nahverkehrsgesellschaft ATAC, der für große Behinderungen sorgte, brachte das Verkehrsnetz an den Rand des Kollapses. Tagelang verkehrten die U-Bahnen nur im 30-Minuten-Takt, was zu chaotischen Zuständen in den Stationen führte. Davon profitierten Banden von Taschendieben, die das Gedränge kurz vor Abfahrt der Züge nutzten, um unbemerkt in den Taschen der Passagiere zu wühlen.

Licht und Schatten Jubiläumsjahr

In dieser dramatischen Situation fiebert Rom mit Sorge dem am 16. Dezember beginnenden Jubiläumsjahr entgegen, zu dem Papst Franziskus aufgerufen hat und das Millionen von Pilgern in die Metropole locken soll. Die Zeit drängt: Die Ewige Stadt hat wenig Zeit, um sich aufzupolieren und dem drastischen Imageverlust entgegenzuwirken. Bürgermeister Ignazio Marino scheint nicht mehr die Autorität zu besitzen, um das Ruder für die Organisation des Großevents an sich zu reißen. Nachdem mehrere seiner Gemeinderatsmitglieder in den Sog der Antikorruptionsermittlungen geraten sind, werden die Forderungen nach einem Rücktritt des erfolglosen Stadtoberhaupts lauter. Doch Marino will nicht das Handtuch werfen und kämpft in seinem Büro am Kapitol-Hügel mit Ausblick auf das Forum Romanum weiter.