Alexis Zorbas und sein Boss hatten es noch gut. Sie konnten ihren Frust einfach wegtanzen. Ein Sirtaki – und schon schaute die Welt besser aus. Doch aus den Lautsprechern schallen längst keine Klänge von Mikis Theodorakis mehr und die griechischen Probleme sind zu gewaltig, um sie einfach mit Bouzouki-Musik zu verscheuchen. Das ist trotzdem ein Plädoyer für einen Griechenland-Urlaub. Aus guten Gründen: Die Menschen dürfen nicht für ihre unfähige Regierung bestraft werden, die Inseln waren immer schon anders und weitgehend Selbstversorger und nirgends ist das Urlaubsgefühl so pur wie auf den Kykladeninseln. Das Schlimmste wäre jetzt, den leidgeprüften Griechen den Rücken zu kehren. Keine Panik, denken wir uns Hellas einfach so, wie es immer war.

Zehen im Sand

Der alte Dimitris verkörpert griechische Lebensart in einem Satz: „Es ist besser zu sitzen, als zu arbeiten, aber besser zu liegen, als zu sitzen.“ Dem wäre eigentlich nichts hinzuzufügen, gäbe es nicht noch eine Steigerungsstufe. Die Zehen in den weißen Sand der Plaka von Naxos zu graben und hin und wieder ein Auge auf das kristallene Meer zu riskieren, das, lieber Dimitris, ist eindeutig das Beste. Die säuselnden Wellen schwemmen alle unfreundlichen Gedanken an Herrn Tsipras fort.

Mit dem ersten milchigen Ouzo inhaliert man griechisches Lebensgefühl, sobald man sich auf den unbequemen Strohstuhl unter der Tamariske fallen lässt. Solche Sehnsuchtsplätze – wo die Zeit zu tropfen scheint wie dickflüssiges Olivenöl – findet man überall an den Stränden von Naxos. Ob in Agia Anna mit den bunten Tavernen und Boutiquen, an der Plaka, wo die familiären Hotels nur durch eine Sandstraße vom Meer getrennt sind, oder sogar in der Stadt Chora.

Eine einzige Verkehrsampel

In Naxos ist alles unaufgeregter. Auf der Insel gibt es nur eine einzige Verkehrsampel. Wenn nämlich eines der kleinen Flugzeuge landet, steht die Ampel auf Rot, damit die Autos die Landepiste nicht queren können. Diese Unerreichbarkeit für Touristenbomber hat der Insel den Massentourismus erspart, wiewohl Fähren aus Mykonos und Santorin bis dato immer mehr Touristen ausgespuckt haben. Die besten Strände zum Kitesurfen und zum Faulenzen und Wasser wie flüssiger Smaragd locken sie an.

Während Mykonos wie ein Herz vor dem Infarkt pulsiert, sind die Nachbarinseln Paros und Antiparos fast unentdeckt. Das heißt, Tom Hanks hat sich in Antiparos längst verliebt. Dort kann er nahezu unerkannt mit Einheimischen Kaffee schlürfen.
Das Typische an den Kykladen sind die weißen Quaderhäuschen. „Sie müssen per Gesetz so gebaut werden. Nur das Blau der Fenster und Türen darf variieren“, erklärt Dimitris und schluckt eine Sardine samt Schwanz und Augen. Der Wein, mit dem er sie hinunterspült, ist trocken und kühl, keine Spur mehr von Harz. Dabei blinzelt er unter schwarzen, buschigen Augenbrauen auf das unendliche Meer und eine ungewisse Zukunft. Man glaubt, ihn flüstern zu hören: „Boss, lass uns tanzen.“