Das geräumige und doch bescheidene Haus von Dophu wäre ideal für Rucksacktouristen. Der 53-jährige Bauer bietet in Phobjikha in der Bergwelt von Bhutan Gästezimmer an. Eigentlich sind es ja Matratzenlager, und auch der übrige Komfort hat Luft nach oben. Dafür gibt das Heim einen Einblick in den kargen Alltag vieler Bhutaner. Doch hat der Staat mit dem Tourismus andere, durchaus gewagte Pläne.

Dophu - einen Nachnamen braucht er in der Hochebene, wo jeder jeden kennt, nicht - baut vor allem Kartoffeln an und ein bisschen anderes Gemüse. Drei Äcker hat er gleich hinter seinem Haus, erzählt er nicht ohne Stolz. Die werden dann noch nach altem Brauch von der Dorfgemeinschaft bewirtschaftet. An einem Tag arbeiten alle auf dem Feld eines Bauern, am nächsten kommt jenes eines anderen dran. Aber diese Art des Zusammenhalts ist bereits am Verschwinden.

Bauer Dophu
Bauer Dophu © APA/Edgar Schütz

In anderen Orten, klagen Dophu und seine zwei Jahre ältere Frau Pem, funktioniert das nicht mehr. Da erntet jener am schnellsten, der am meisten Geld hat, weil er jemanden für die Arbeit bezahlen kann. Zu den Ärmsten zählt Dophu aber keineswegs. Seine Erdäpfel werden nach Indien exportiert. Die Nachfrage ist unterschiedlich. Im Schnitt verkauft er pro Jahr 2.000 Kilo. Auch die Preise variieren je nach Nachfrage, aber meist bekommt er rund 65 Ngultrum, also einen US-Dollar (0,88 Euro) pro Kilogramm. Das macht stolze 2.000 Dollar das Jahr. Im Vorjahr sei es sogar mehr als das Dreifache gewesen, meint er, ohne genau erklären zu können, wie er das geschafft haben will.

Damit steht der Bauer aus Phobjikha eigentlich ausgesprochen gut da. In einem Land, in dem ein Beamter mit akademischer Ausbildung zu Beginn seiner Laufbahn 250 Euro verdient und das Pro-Kopf-Einkommen in der Stadt im Schnitt bei umgerechnet 95 Euro monatlich liegt, am Land bei 33. In entlegenen Gegenden ist es oft nur die Hälfte, und manche Menschen haben gar kein Einkommen. Sie tauschen wie eh und je, was sie am Nötigsten brauchen.

Smartphone und Pflug

Im Vergleich lässt es sich in Phobjikha also durchaus gut leben. Auch wenn die meisten Wohnstätten eher bescheiden sind. Mit einem einzigen Ofen in der Küche, um den sich die Familie am Boden sitzend zum Essen vereint und sanitären Anlagen, die an Berghütten früherer Tage erinnern. Die Felder werden händisch oder allenfalls mit Ochsengespannen beackert. Wobei: Ein Smartphone haben die Arbeitenden fast alle dabei. So gesehen hat Bhutan den Weg aus der Prämoderne in die Globalisierung in der Direttissima genommen.

Vom Erlös seiner Erdäpfel kauft Dophu rund 500 Kilo Reis, die dann die Nahrung für das ganze Jahr darstellen. Zumindest für ihn, seine Frau und einen Sohn, der noch in die Schule geht. Zwei Töchter sind bereits außer Haus. Manchmal ist auch der eineinhalbjährige Enkel Dawa Yozer da. Dessen Name heißt in der Übersetzung so viel wie Mondschein, gibt Pem ein bisschen Nachhilfe in Dzongkha.

Seit fünf Jahren Strom

In ihrem Leben hat sich in den vergangenen Jahren viel geändert. Vor rund fünf Jahren kam Elektrizität ins Haus, auch mit Hilfe der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA). In Phobjikha gibt es ein Vogelreservat, wo von Oktober bis März Schwarzhalskraniche nisten. Daher wurden die Stromleitungen und die TV-Verkabelung faunaschonend unterirdisch angelegt. Viele der 900 Häuser bekamen auch Photovoltaikanlagen verpasst. Mit österreichischer Unterstützung wurden zwischen 2011 und 2013 in ganz Bhutan rund 2.640 Haushalte in abgelegenen Regionen ans Stromnetz angeschlossen. Bis 2017 sollen weitere 163 folgen.

Dophu kann sich auch über Unterstützung der Regierung freuen. Bis zu "hundert Einheiten", wie er sagt, bekommt er die Elektrizität gratis geliefert. Alles darüber muss bezahlt werden. Nun hat elektrisches Licht die Kerzen und Kienspäne von früher abgelöst. Seither ist das Haus auch leichter sauber zu halten, freut sich Pem.

Dophu findet vor allem Gefallen an den fünf elektrischen Reiskochern, die die Familie nun hat, und natürlich am Fernsehapparat, der seit einem Jahr im Zimmer steht. Dafür hat er einen Kredit genommen. Aber das ist ihm das Vergnügen wert. Jetzt kann er Nachrichten schauen und Unterhaltungsprogramme. "Ich könnte den ganzen Tag davor sitzen", lacht er. Aber das geht leider nicht, am Feld wartet viel Arbeit.

Sein größter Stolz ist aber der Hausaltar in einem Extrazimmer. Mit fein ziselierten Holzschnitten in bunten Farben gestaltet, lässt sich erahnen, dass ihm das Kultobjekt schon Einiges wert war. "3.000 Dollar", seufzt Dophu, aber irgendwie klingt er doch sehr zufrieden. Denn er ist auch eine Art buddhistischer Laienmönch. Als solcher hat er im Gegensatz zu seiner Frau, die nie eine Schule besucht hat, Lesen und Schreiben gelernt. Der Glaube ist ihm sehr wichtig. Die Frage, ob das bei der Jugend auch so ist, beantwortet er mit einem vielsagenden Lächeln.

Phobjikha liegt eigentlich nur 150 Kilometer östlich der Hauptstadt Thimpu, doch braucht die Anreise fünf bis sechs Stunden. Die Hochebene ist nur mühsam über eine holprige Steinstraße zu erreichen. Das könnte man touristisch nun als nostalgische Romantik ansehen, wäre der steinige Weg nicht zumindest zum Teil eine der Hauptverkehrsrouten Bhutans.

Regierung wünscht sich Elite-Tourismus

Das Vogelreservat ist auch eine der Attraktionen des sanften Tourismus, den die Regierung als Weg für die Zukunft propagiert. Da dabei aber eine gehobenere Klientel angesprochen werden soll, sind "Homestays" wie jener bei Dophu und seiner Frau, eher ungeeignet.

Die Regierung will den Fremdenverkehr auf hohem Niveau halten, um daraus mit wenigen Gästen viele Einnahmen zu lukrieren. Massen- oder Tramper-Tourismus würden das kleine Land überfordern und die Bevölkerung sowie ihre Identität korrumpieren, lautet die Befürchtung. Also ist eine Tagespauschale von 250 US-Dollar (220,69 Euro) zu zahlen. 65 davon gehen an den Staat. Der Preis inkludiert Unterkunft, Verpflegung und einen Fahrer.

Die dafür notwendige Infrastruktur ist großteils erst im Aufbau. Auch mit Hilfe der OEZA, die beispielsweise mit 5,5 Mio. Euro das Royal Institut for Tourism and Hospitality (RITH) fördert, Bhutans erste Lehranstalt im Tourismus- und Hotelbereich. Auf dem Gelände in Thimpu entsteht derzeit ein Schulungshotel. Trotz seiner modernen Architektur enthält es traditionelle bhutanische Bauelemente. Vorschrift ist Vorschrift. Aber es sieht auch schön aus.

60.000 zahlungskräftige Ausländer

Die Absolventen haben gute Chancen, in der Reisebranche einen Job zu finden. Derzeit kommen pro Jahr rund 135.000 Touristen in das "Land des Donnerdrachens" mit seinen 750.000 Einwohnern. Mehr als die Hälfte davon freilich aus Ländern wie Indien oder Nepal, die von der Dollar-Beschränkung ausgenommen sind. Bleiben 60.0000 zahlungskräftige Gäste aus dem Ausland.

Die bekommen Dophu und Pem selten zu Gesicht. In den vergangenen zwei Jahren waren gerade fünf Gruppen bei ihnen zu Gast, sagt er mit buddhistischer Gelassenheit. Von der Klientel, die der Staat ansprechen will, erleben nur wenige das tatsächliche Landleben. Obwohl oder gerade weil eine Nacht umgerechnet nur zehn Dollar kostet ...