Rumms! Alle Neune! Mit einem kräftigen Poltern wird den Träumen jäh ein Ende gesetzt. Es ist aber nicht das Können eines geschickten Keglers, das für die Ruhestörung sorgt, sondern das tosende norwegische Meer. Die Wellen klatschen unaufhörlich an die Außenwände. Eine Herausforderung für den an Seegang kaum gewöhnten Binnenländler-Magen! Die MS Nordstjernen bahnt sich ihren Weg durch das Dunkel. Vorsicht, Anfängerfehler: Kleinkram packt man besser nicht aus! Schon gar nicht, wenn offenes Meer durchquert wird. Da kann es schon mal passieren, dass Zahnpasta, und Co. zu Boden stürzen, und man - Stunden später - den I-Pod in den Schuhen, das Handyladegerät im Toilettetäschchen oder den Reiseführer unter dem Bett wiederfindet. Und: Hier wird nicht wachgeklingelt, sondern wachgerüttelt. Aber das Ganze hat auch sein Gutes: Verschlafen? Unmöglich!

Polarkreis. Es ist kurz vor 7 Uhr und das Postschiff nähert sich jener Linie, die exakt bei 66°33'51'' verläuft. "Wir haben soeben den Polarkreis passiert", tönt es aus dem Lautsprecher. Verdammt! Verpasst! Angekündigt war das Ereignis zwischen 7 und 8 Uhr. Da kann man doch nicht ahnen, dass es gleich in der ersten Viertelstunde soweit sein würde. Aber was soll's: Auf dem Rückweg gibt es die zweite Chance, einen Blick auf das Weltkugelmodell, das die Schäre Vikingen ziert, zu erhaschen.

Nostalgie trifft Technik. Erster Stop: Ørnes. Rein in Thermostiefel und Daunenjacke. Eine halbe Stunde bleibt, sich in dem noch verschlafenen Ort die Beine zu vertreten. "Bitte die Boarding-Karte drüberziehen", bremst der Herr an der Reling. Ganz ohne Technik kommt selbst ein Schiff der ersten Generation nicht aus. Per Scan wird jeder Passagier registriert - es soll ja schließlich niemand vergessen werden.

In einem kleinen Geschäft decke ich mich mit Trinkwasser ein - das soll vor Seekrankheit schützen. Magnus, der Herr über die Kassa, wirft einen skeptischen Blick auf meinen Einkauf und meint: "Eigentlich bräuchtest du das ja nicht, schließlich kommt derzeit eh' genug von oben."