Haben eine Würstelbude in Wien, ein Crepe-Stand in Paris und ein Fahrradverleih in Prerow auf der Halbinselkette Fischland-Darß-Zingst irgend etwas gemeinsam? Durchaus. Zumindest, wenn man einen dieser drei Schauplätze als Treffpunkt wählt. Dann hat man ein gehöriges Problem, wie ich gerade feststelle. Heiße fünf Minuten bleiben, um ein Drahtesel-Geschäft, mit dem Namen Wittenburg, ausfindig zu machen. Irgendwie scheine ich im Amsterdam Mecklenburg-Vorpommerns gelandet zu sein, so viele Radfahrer und dazugehörige Shops gibt's hier.

Falsche Wahl. Als ich meine Begleitung endlich finde, ist die Freude groß - aber kurz. Ich schaue mir die Wächterin des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft an, und dann mich. Wanderhose, Bergschuhe und Rucksack gegen Jeans, Turnschuhe und Umhängetasche. Überraschung Nummer eins: Eine Fahrradtour zum Darßer Ort scheint nicht das zu sein, was man sich bei uns unter einer Strandpartie vorstellt. "Lawrenz mein Name", begrüßt mich die forsche Heike mit ebenso forschem Händedruck und fügt hinzu, "wo haben Sie denn bloß Ihre Sachen zum Umziehen?". Kurzes Schulterzucken - und los geht's.

Lästige Blutsauger. Bereits nach wenigen Minuten dringt kaum noch Licht durch das Pflanzendach. Überraschung Nummer zwei: Ja, es gibt einen Urwald an der Ostsee! "Stellenweise ist alles so dicht, dass man gar nicht durchkommt", erklärt meine Führerin. Uns gelingt das - aber beschwerlich. Tiefer, nasser Sand und blutsaugende Insekten sind nicht gerade des Pedalritters beste Freunde. Als ich darüber sinniere, was herausfordernder ist, eine Mountainbike-Tour bei Alps-d'Huez-Steigungen oder eine eigentlich unscheinbare, aber wegen der einhändigen Fahrweise (Gelsen-Abwehr!) doch tückische Runde durch die Boddenlandschaft, reißt mich ein schnaubendes Geräusch aus den Gedanken. "Sind nur die Pferde. Zum nördlichsten Zipfel kommt man ausschließlich per Rad, zu Fuß oder mit der Kutsche", beruhigt Frau Lawrenz.

Mitten im Nichts. Genauso plötzlich wie zuvor der dichte Wald, taucht jetzt der Strand auf. Und Überraschung Nummer drei: Darß ist eigentlich gar kein richtiger Ort. Keine Einwohner, keine Promenade, keine Geschäfte. Nur ein Leuchtturm, die Dünen, das Meer - und sonst nichts. Manchmal kann aber auch das Nichts ganz schön beeindruckend sein. Da ist es kaum von Belang, dass die Sonne sich launisch wie eine Diva gibt. Festklammern ist gefragt, um nicht von der steifen Brise verblasen zu werden, und Wetterfestigkeit, um dem ins Gesicht klatschenden Wasser zu trotzen. "An klaren Tagen sieht man bis Rostock und Dänemark. Schade, dass heute alles zu ist", meint die Wächterin. "Macht nicht's", denke ich mir. Bei gutem Wetter ist es bald einmal wo schön. Besondere Fleckchen zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass sie selbst bei Regen und Sturm einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nicht nur in Form der Souvenirs von kleinen, lästigen Tierchen.