Wir verhalten uns ruhig. Ganz ruhig. Nur das Zwitschern der Vögel ist in der stillen Abenddämmerung am Bodensitz zu hören. Ab und zu deutet Ranger Walter in die Weite und richtet das Spezialfernrohr auf dem Stativ neu aus. Wieder hat er etwas entdeckt. Aber nur er allein. Wir, Praktikant Sebastian und ich, die wir mit unseren Feldstechern die einige Hundert Meter entfernten Gebirgshänge zwischen Latschen, Fichten und Lärchen millimeterweise absuchen, finden nichts. Zumindest nicht das Ersehnte. Oder doch?

Was ist der braune Fleck dort oben? Langsam bewegt sich da etwas zwischen Baum- und Strauchwerk. Ist das nicht ein Geweih, das aus dem Dickicht ragt? Ja, ein Zehnender, ein friedlich grasender Rothirsch und drei seiner Kollegen. Mit ihnen noch ein halbes Dutzend "Tiere" - so heißen weibliche Rothirsche in der Jägersprache. Eine tolle Ausbeute für die erste Pirsch meines Lebens. Das verdanke ich Nationalpark-Wildhüter Walter. Zu den Aufgaben des Rangers gehört auch die Begleitung von Gästen auf Wildtiersafaris. Bucht man die viertägige "Ruf der Wildnis"- Tour, ist ungestörtes Wild-Watching hoch über dem Mallnitzer Seebachtal garantiert.

Auf geheimen Wegen

Auf geheimen Wegen zu den besten Beobachtungsplätzen erfahren Teilnehmer nicht nur etwas über Geschichte und Geschichten rund um den Nationalpark, sondern auch viel über Flora und Fauna der Tauernregion. Schließlich arbeiten Ranger unter anderem auch an wissenschaftlichen Projekten mit - beispielsweise zum Raumverhalten des Steinwilds oder zur Auswilderung von in Zoos gezüchteten Bartgeiern.

Für das Monitoring verantwortlich, sind regelmäßige Zählungen von Rot-, Stein- und Gamswild sowie der Bartgeier- und Steinadlerpopulationen ebenso Ranger-Alltag wie auch Wildtiermanagement und die ganzjährige Präsenz in den Nationalparkrevieren.

Auf der urigen Bograt-Hütte erklärt Walter, was unter nationalparkkonformem Wildtiermanagement zu verstehen ist: "Auf dem zwischen Heiligenblut und Mallnitz rund 25.000 Hektar großen vom Nationalparkfonds gepachteten Gebiet dürfen auf 75 Prozent der Kernzonenfläche keine Pferde und Rinder weiden und die Jagd ist außer Nutzung gestellt." Das heißt im Klartext, dass nur Regulierungsabschüsse von schwachen Tieren des Rot- und Gamswilds erlaubt sind.

Die kärntnerische Frigga, ein deftiges "Jaga-Gericht" aus Eiern, Speck und Käse, von Walter auf dem Holzherd zubereitet, macht müde. Schläfrig steigen wir in die Stockbetten der Jagdhütte und bald umgibt uns nächtliche Stille. Nur das 70 Jahre alte Lärchenholz der Hütte knarrt leise. Am Morgen hat der Schlaf wahre Wunder vollbracht. Nach der Besichtigung des Holzplumpsklos und einer Katzenwäsche mit kaltem Brunnenwasser sind wir bereit für die nächste Wildtierbeobachtung, die Morgenpirsch um sieben Uhr.