Es sollte ein Abbild von Schloss Versailles als „Tempel des Ruhmes“ für den französischen „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. werden – Herrenchiemsee auf der gleichnamigen Insel im sogenannten Bayrischen Meer. 1873 wollten die Besitzer die Insel einem Konsortium von Holzhändlern verkaufen, die sie abholzen sollten. Doch der bayrische König Ludwig II., vor allem als Bauherr von Neuschwanstein bekannt, hatte andere Pläne. Er kaufte das Eiland und begann auch hier 1878 mit dem Bau eines Schlosses. Architekt Georg Dollmann musste dafür Versailles studieren, um Herrenchiemsee entsprechend nachzubauen. Dabei rekonstruierte er sogar Räume, die in Paris gar nicht mehr existierten.

„Dollmann blieb bis 1884 tätig, dann übernahm Julius Hoffmann die Bauleitung für die aufwändig ausgestatteten Privatzimmer des Königs. Zwischenzeitlich wurde der Bau auch aufgrund von Geldmangel eingestellt. Der König, ein großer Verehrer Frankreichs, ließ alle Räume mit französischen Namen bezeichnen, konnte jedoch eine Fortführung erwirken. Er nahm auch überall Einfluss auf die Bautätigkeit, bis zum Bauende waren jedoch nur 20 der 70 Räume fertiggestellt“, erzählt die Kastellanin des Schlosses, Veronika Endlicher, beim Rundgang. „Der König weilte bis 1885 nur zehn Mal hier, nächtigte aber immer im Augustiner-Chorherrenstift, obwohl zwei Schlafzimmer im Schloss bereit gewesen wären, er hatte auch nie vor, das Schloss zu bewohnen. In den Abendstunden inspizierte er alleine die fertigen Räume, die durch 54 Luster – alle gefertigt bei Lobmeyr in Wien – mit rund 5000 Kerzen beleuchtet wurden“, so Endlicher.

Von der Herren- auf die Fraueninsel

Nach dem mysteriösen Tod des Märchenkönigs im Jahr 1886 wurde der Bau eingestellt, das nur in Teilen verwirklichte Schloss der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Vor allem das Großbürgertum aus München zählte zu Beginn zu den Gästen der teuren Führungen. Mit der Öffnung der Sehenswürdigkeiten erlangte auch die Schifffahrt auf dem Chiemsee wieder Bedeutung. Diese wurde bereits Anfang der 1840er-Jahre begründet, als Alternative zu den damals schlechten Wegen um das „Bayrische Meer“. Mit dem Bau der Bahn von München nach Salzburg in den 1860er-Jahren ging es mit den Schifftransporten aber bergab und das Unternehmen bankrott. „Heute verzeichnen wir eine knappe Million Fahrgäste jährlich“, sagt Michael Fessler, Geschäftsführer der Chiemsee-Schifffahrt.

Herrenchiemsee wird von der Bayrischen Schlösserverwaltung betrieben, vor Ort sind rund 70 Personen, die allerdings großteils auf dem Festland wohnen, in sieben Abteilungen beschäftigt. Der Gärtnerei und Technik fällt auch die Betreuung des Schlossparks und der Wasserspiele zu. „Diese wurden einst durch einen Hochbrunnen betrieben, später allerdings ließ man die Becken mit Erde zufüllen und begrünen. Erst nach 1945 wurden sie freigelegt und wieder instand gesetzt. Nunmehr wird das Ganze mit Wasser aus eigenen Zisternen gespeist und im Winter relativ arbeitsintensiv stillgelegt“, sagt Jakob Nein vom Büro der Außenbereichsverwaltung. Fünf Gewächshäuser sorgen übrigens für die ständige Aufzucht von Pflanzen für die Gärten, auch ein Gestüt wird auf der Insel betrieben. Dort werden die Pferde für den Kutschereibetrieb betreut, der seit 1953 existiert.

Im Unterschied zu Herrenchiemsee ist die Fraueninsel von rund 300 Personen bewohnt und ein weiterer Höhepunkt Sees. Es gibt Verkaufsladen, Restaurants und Unterkünfte, beinahe alle Bewohner sind Bootsbesitzer und damit auf dem Gewässer mobil. Die Insel wurde im 19. Jahrhundert ein Paradies für Maler, zahlreiche Künstler ließen sich damals hier nieder. Eine besondere Attraktion ist das Frauenkloster, geführt von rund 20 Benediktinerinnen, das als Gästehaus für Seminarteilnehmerinnen viele Besucher anzieht, die die besondere Atmosphäre der Insel erleben wollen. Oder um im Klosterladen die selbst hergestellten Spezialitäten der Nonnen zu erstehen.