Es fühlt sich gut an, nach eineinhalb Tagen wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Am späten Nachmittag laufen wir mit der Segeljacht „Shooting Star“ in den Hafen von Livadi auf der Kykladeninsel Serifos ein. Auf den meisten Inseln der Kykladen liegen die Hauptorte versteckt im Hinterland, um einst die Bewohner vor den Angriffen der Piraten zu schützen. Auf Serifos aber wurde die Chora auf den Hügeln gleich hinter Livadi errichtet, dort thront sie mit erhobenem Haupt über dem Meer.

Der Weg hinauf führt über flache Treppen, durch kleine Gassen, vorbei an weiß getünchten Würfelhäusern mit blau lackierten Fenster- und Türbalken. Auf dem höchsten Punkt wurde ein Kirchlein auf den Überresten der Burgruine errichtet. Von dort oben eröffnet sich ein traumhafter Blick hinunter auf die Dächer der Chora, die weite, hufeisenförmige Bucht von Livadi und auf eine wilde, kahle Landschaft. Eine Insel, die erstarrt ist, nachdem Perseus das abgeschlagene Haupt der Medusa auf Serifos gebracht hatte. So erzählt es zumindest die griechische Mythologie.

Skipper Christos gibt die Route vor

Es ist der zweite Tag einer Reise, die in der Athener Marina Agios Kosmas beginnt. Hier liegt die „Shooting Star“, eine elegante, 20 Meter lange Segeljacht, die sich mit ihrem markanten schwarzen Mast majestätisch aus den umliegenden Booten heraussticht. Sechs Gäste haben an Bord Platz, es gibt drei Schlafzimmer mit jeweils eigenem Bad, einen Salon sowie eine großzügige Lounge an Deck. Christos ist seit vier Jahren Skipper auf dieser Jacht. Er hat sich die Tour mit dem Plan ausgedacht, den Teil von Griechenland zu zeigen, den er besonders schön findet. Dazu segelt er mit uns in den westlichen Teil der Kykladen. An Bord ist auch Sam als zweite Skipperin und Hostess – und als fantastische Köchin.

Die erste Nacht verbringen wir auf See. Dafür ankert Christos vor der Insel Georgios. Ein kleines, unbewohntes Eiland, gerade mal fünfeinhalb Kilometer lang und eineinhalb Kilometer breit. Keine Bäume, wenig Macchia, nur schroffe, steil ins Meer abfallende Felsen. Die einzige Attraktion sind die Windräder, die oben auf dem Bergrücken winken. Die erste Sternstunde auf der „Shooting Star“ erwartet uns stattdessen am nächsten Vormittag auf der Fahrt zum Strand Kalo Ampeli auf der Südseite der Insel Serifos. Eine Gruppe Delfine nähert sich unserem Boot und zieht zehn Minuten lang die große Show ab. Eine Weile begleiten sie das Boot in der Bugwelle, um sich dann wieder mit weiten Sprüngen zu verabschieden und im dunkelblauen Wasser zu verschwinden.

Einsame Insel und Kuba in Griechenland

Auf Christos‘ Route liegt auch die Bucht von Kap Maskoula im Nordosten der Insel Polyegos, die größte unbewohnte Insel der Ägäis. Nur ein paar Ziegen beobachten die Badenden von den Klippen aus. An ihrer südöstlichen Spitze steht am höchsten Felsen seit mehr als 125 Jahren ein Leuchtturm. Erst dort oben lässt sich erkennen, wie betörend diese Bucht mit dem türkisblauen Wasser tatsächlich ist. Uns wieder an Bord zu holen, gelingt nur Sam. Denn sie serviert am Abend Arakas Laderos, ein griechisches Erbsengericht mit Tomatensoße und Feta. Dazu gibt es griechischen Roséwein. Und den Sonnenuntergang.

Szenenwechsel. In der quirligen Hafenstadt Kamares auf Sifnos tummeln sich auch im Spätsommer Touristinnen und Touristen, sitzen in Cafés und Tavernen, stöbern in den kleinen Läden. Das milde Klima und die Niederschläge im Winter machen den Boden der Insel fruchtbar und die Landschaft grün. Auf Terrassen wachsen Tomaten, Zucchini, Auberginen und grüne Bohnen. Berühmt ist die Insel für ihr Töpferhandwerk. Hier wird der „Mastelo“ hergestellt, ein traditionelles Tongefäß, das speziell für die Zubereitung des gleichnamigen Gerichts, eine Art Lamm- oder Ziegenbraten, verwendet wird.

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„Trinkt einen Mojito bei Costas Georgoulis“, gibt uns Christos mit auf den Weg nach Kastro, einem Dorf auf einem Hügel an der Ostküste der Insel. Der Ort ist ein Labyrinth aus engen Gassen, die an prächtigen alten Herrenhäusern, Kirchen aus dem 16. und 17. Jahrhundert und antiken Sarkophagen vorbei zur Kirche der Sieben Märtyrer führen, die auf einer Felseninsel unterhalb des Dorfes liegt. Mehrere Wege führen auch zu Costas Bar „Cavos Sunrise“. Sie ist an diesem späten Nachmittag gut besucht. Geduldig reihen wir uns hinter junge Influencerinnen aus aller Welt und älteren Paaren in Wanderkluft an der Bar ein, wo Costas stoisch einen Mojito nach dem anderen mixt. Zeit genug, sich Costas Leidenschaft für Kuba zu widmen. Seinen Helden Che Guevara und Fidel Castro hat der drahtige Grieche mit dem grauen Schnauzbart hier ein kleines Museum mit Bildern, Fotos, Zeitungsausschnitten und Büchern eingerichtet, passend dazu dröhnen aus den Boxen kubanische Klänge. Zurück auf dem Schiff nehmen wir die Erkenntnis mit: Der zweite Mojito war vielleicht doch einer zu viel.

Am vorletzten Tag des Turns legen wir am Strand von Kolona an der Westseite von Kythnos an. Die Insel ist vor allem für ihre Thermalquellen bekannt, die auch am Strand sprudeln. In einer kleinen haben es sich ein paar Badegäste mit einer Flasche Wein gemütlich gemacht. Im Outdoor-Spa sitzen und aufs Meer schauen: Lässt sich gut aushalten. Bevor die „Shooting Star“ nach einer Woche wieder in die Marina von Agios Kosmas einläuft, serviert uns Sam am letzten Abend frisch gegrillten Fisch, wir schwimmen am Kap Sounion der Athener Riviera noch einmal im Mondschein und im ersten Licht der Sonne am Morgen. Und werfen einen letzten Blick auf die Überreste des Poseidon-Tempels, der hoch oben auf dem Felsplateau thront, erbaut im Goldenen Zeitalter Athens.