Sie gehören zur Gruppe von Expertinnen und Experten, die im Auftrag der Europäischen Kommission seit dem Vorjahr Vorschläge zur Verbesserung der Rechte von Reisenden ausarbeitet. Wieweit geht es dabei um Erfahrungen aus der Pandemie?
VERENA PRONEBNER: Aus unserer Sicht in der ÖAMTC-Rechtsberatung gab es bei Reisen früher vereinzelt das Problem, dass Gepäckstücke nicht nachgekommen sind, dass das Hotel nicht gepasst hat, dass ein Flug durch die Airline annulliert oder die ganze Reise storniert wurde. 2020 waren diese Probleme plötzlich ganz massiv da.

Zumindest bei Pauschalreisen gab es aber eine gute rechtliche Absicherung.
VERENA PRONEBNER: Die Pauschalreiserichtlinie der EU gibt es seit 2015, sie wurde in fast allen EU-Staaten umgesetzt, in Österreich trat sie 2017 in Kraft und heißt Pauschalreisegesetz. 2020 war dieses Gesetz also noch sehr jung. Es gab wenig Erfahrungen damit, wenig Anwendungsbereiche und kaum Judikatur. Das war ein neues Gesetz, wo man einige Dinge noch nicht so genau ausgelegt hatte, was zu juristischen Herausforderungen geführt hat. Dann erkannte man: Das Gesetz ist nicht so ganz fit für diese globale Pandemie. Die EU-Kommission bemühte sich rasch, das ein wenig abzufedern.

Mit welchen Maßnahmen?
VERENA PRONEBNER: Wenn plötzlich alle Reiseveranstalter keine Reisen mehr durchführen können und die Kosten zurückerstatten müssen, dann geht das nicht binnen 14 Tagen. Man war also einerseits bei der Rückzahlungsfrist kulanter – und außerdem wurde es möglich gemacht, dass Gutscheine angeboten werden können. Es wurden daraufhin sehr viele Gutscheine für Pauschalreisen angeboten. Von der EU-Kommission gab es die klare Empfehlung, diese Gutscheine staatlich abzusichern. Das hat Österreich nicht gemacht, weshalb wir seitens des ÖAMTC grundsätzlich nicht dazu geraten haben, einen Gutschein anzunehmen – weil er nicht gegen Insolvenz abgesichert war. Die Airlines hatten auch dieses Angebot von Gutscheinen ohne jede Absicherung. Die EU hat dann immer wieder Leitlinien herausgegeben, worauf der Reiseveranstalter achten soll. Das gipfelte schließlich darin, dass es bald einen neuen Vorschlag für eine Pauschalreiserichtlinie geben wird. Der Vorschlag wird vermutlich im Mai oder Juni präsentiert werden.

Es wird in der EU bald ein neues Gesetz zugunsten der Reisenden geben?
VERENA PRONEBNER: Ja, vermutlich noch in dieser Legislaturperiode, die bis 2024 dauert. Darin wird auf das Rücksicht genommen werden, was man bisher gelernt hat: zum einen durch die Corona-Situation, zum anderen durch große Insolvenzen wie jene von Thomas Cook 2019.

Wir reden von der Insolvenzabsicherung?
VERENA PRONEBNER: Ja, es geht darum, dass sie bei den Pauschalreiseanbietern in allen EU-Mitgliedstaaten gut genug ist. In Österreich hat das funktioniert, in Deutschland zum Beispiel nicht. Sehr wahrscheinlich wird man auch die Airlines dazu verpflichten, irgendeine Insolvenzabsicherung zu haben. Und Gesetzesbegriffe, die etwas unklar waren bzw. sind, werden vermutlich klarer gefasst. Es könnte auch sein, dass die Frist, binnen der ein Veranstalter die Reisekosten zurückzahlen muss, etwas erstreckt wird – gerade für den Fall, dass ein Problem global auftritt.

Gibt es noch einen Punkt, wo das Reiserecht konsumentenfreundlicher zu gestalten wäre?
VERENA PRONEBNER: Alle Konsumentenschutzorganisationen drängen sehr darauf, dass es für Reisende egal sein muss, wo ihre Anzahlung liegt. Oft geht man ja ins Reisebüro, leistet dort eine Anzahlung und dort wird es an den Reiseveranstalter weitergeleitet oder auch nicht. In der Coronazeit gab es ganz massiv dieses Ping-Pong-Spiel zwischen Vermittlern, also den Reisebüros (wenn auch nicht den renommierten) und den Veranstaltern. Kunden wurde ständig gesagt, dass das Geld gerade nicht da sei – es dauerte oft bis zu einem Jahr, bis man das Geld von der Anzahlung wieder zurück hatte. In vielen Fällen ging es dabei um teure Reisen, mit denen sich die Menschen einen Lebenstraum erfüllen wollten. Es ist jedenfalls zu erwarten, dass das Gesetz jetzt noch verbraucherfreundlicher gestaltet wird. Wobei Pauschalreisende ohnehin schon gut abgesichert sind.

Und welchen guten Rat würden Sie nun Individualreisenden geben, also jenen, die nichts kombiniert, sondern alles separat buchen?
VERENA PRONEBNER: Persönlich achte ich immer auf gute Stornobedingungen. Flug-Tickets sind meistens ohnehin nicht stornierbar, außer der Flug fällt aus. Unterkünfte hingegen schon. Hier gilt allerdings immer das Recht des Landes, in dem die Unterkunft liegt. Wenn ich Thailand buche, gilt also thailändisches Recht. Ich würde vorsichtig sein, nicht zu viel anzahlen und auf die Stornobedingungen achten. Anzahlen sollte man nicht mehr als gesetzlich gefordert ist – also 20 Prozent der Reisekosten frühestens elf Monate vor dem Reisetermin und die Restzahlung erst 20 Tage vor der Reise. Häufig werden wir auch nach Reiseversicherungen gefragt. Das Wichtigste dabei ist: Gegen die Angst, dass am Urlaubsort etwas Schlimmes passieren könnte, gibt es keine Versicherung. Versichern kann man sich aber gut gegen unvorhersehbare Ereignisse, die den Reisenden oder Mitreisende betreffen: etwa Erkrankungen oder Todesfälle im näheren Umfeld. Sollte nahe dem Urlaubsort etwas passieren, dass Sie zu Ihrem Reisetermin am Urlaubsort beeinträchtigt, gibt es das gesetzliche Recht auf ein kostenloses Storno, dafür brauchen Sie keine Versicherung.

Zum Abschluss noch ein ganz genereller Tipp für die nächste Urlaubsbuchung?
VERENA PRONEBNER: Was wir aus unserer Erfahrung sehen, ist, dass es schon besser ist, nicht bei unbekannten Online-Buchungsportalen zu buchen, die bei Pauschalreisen und Flug-Tickets vermeintlich günstiger sind. Besser ist es, direkt bei der Airline zu buchen oder bei einem Reisebüro, das den Sitz in der EU hat, am besten überhaupt in Österreich. Dann spricht auch nichts gegen eine Online-Buchung.