Hausverstand und Gerechtigkeitssinn sagen: Wer körperlich angegriffen wird, darf sich dagegen mit Händen und Füßen wehren und muss dabei nicht darauf achten, dem anderen nur ja nicht wehzutun. Angriff ist aber nicht gleich Angriff und Gegenwehr ist nicht gleich Gegenwehr. Vor dem Gesetz wird deshalb manchmal das Opfer zum Täter und hat Schadenersatz zu leisten.

So geschehen bei einem Fall, der schließlich vor dem OGH landete: Ein Türsteher, der gerade einen anderen Gast aus dem Festzeltgelände entfernte, wurde vom Kläger mit Boxbewegungen, Tänzelschritten und erhobenen Fäusten provoziert. Der Türsteher geriet in Panik und versetzte dem Mann mit einer Stablampe einen Schlag ins Gesicht. Der Mann ging daraufhin zuerst zu Boden, sprang dann aber wieder auf und musste von anderen zurückgehalten werden, um nicht erneut auf den Türsteher loszugehen. Langer Rede kurzer Sinn: Für den Gast endete der Abend mit Brüchen der Gesichtsknochen, einer Gehirnerschütterung und Hämatomen im Gesicht. Er brachte daraufhin sowohl gegen den Türsteher als auch gegen den Veranstalter eine Schadenersatzklage ein.

Das richtige Maß

„Grundsätzlich gilt: Wird jemand angegriffen, so darf man sich nur der Verteidigung bedienen, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem Anderen abzuwehren“, erklärt der Klagenfurter Rechtsanwalt Bernd Peck, den wir in dieser Angelegenheit um eine Expertise gebeten haben. Im vorliegenden Fall sei ganz offensichtlich das gerechtfertigte Maß der Abwehr des Angriffs überschritten worden. „Der Oberste Gerichtshof ging dabei von der hypothetischen Sicht eines besonnenen Beobachters aus.“

Weil der verletzte Gast den Türsteher zum Angriff provoziert hat, entschied das Höchstgericht allerdings, dass beide Parteien, Türsteher und verletzter Gast, für den Schaden bezahlen müssen. „Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass es nach der Rechtsprechung auch dann zu einer Schadensteilung kommt, wenn ein Notwehrexzess vorliegt, es also zu einer Überschreitung der notwendigen Verteidigung kommt“, erklärt Peck und fügt hinzu: „Eine abschließende Beurteilung des Ausmaßes der Schadensteilung konnte das Höchstgericht nicht vornehmen, weil Feststellungen der Vorinstanzen in Bezug auf die Frage des Eigenverschuldens des Klägers gefehlt haben.“

Auch der Veranstalter haftet

Der Oberste Gerichtshof hat in der gegenständlichen Entscheidung auch eine vertragliche Schadenersatzpflicht des Zeltfestveranstalters bejaht. „Zwischen dem Veranstalter und dem Gast bestand schließlich ein Vertrag – für den Eintritt wurde ja bezahlt“, sagt der Jurist. Daraus ergebe sich eine vertragliche Schutzpflicht des Veranstalters, die Gäste durch zumutbare Maßnahmen vor Schäden zu bewahren. Auch für das Verhalten seines Personals, zu dem auch der Türsteher gehört, habe der Veranstalter einzustehen, wenn das Personal in dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich agiert und mit Situationen konfrontiert ist, die vorhersehbar sind. Konkret heißt das: Das Hinausbegleiten eines Gastes zum Zeltausgang gehört zum Job eines Türstehers und dass sich ihm dabei gelegentlich jemand entgegenstellt, ist vorhersehbar.

Vorsicht, Falle!

„Sehr häufig kommen zu mir Mandanten, die meinen, in Notwehr gehandelt zu haben. Die Gerichte wenden aber die Notwehrbestimmungen sehr streng an“, schildert Peck seine Erfahrungen. Die strenge Handhabung der Notwehrregelungen verlange, wie er betont, dass man so wenig wie möglich „Abwehrgewalt“ einsetzt, was gerade in einer Stresssituation sehr schwierig sei. „Im vorliegenden Fall hat sicher eine Rolle gespielt, dass der Türsteher als Profi besonnener reagieren sollte.“ Für das „Opfer“ werde noch zu klären sein, wie massiv sein Mitverschulden (Angriff und Provokation durch Gesten) zu werten ist.

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