Einer der unzähligen Effekte, den die Covid-19-Pandemie mit sich brachte, war ein durchaus angenehmer: Eine neue Stille legte sich über das Land. Der bis zum Virus allgegenwärtige Alltagslärm wich einer neuen, zwangsverordneten Ruhe. Als Profiteur davon galt die Tierwelt. Besonders in unser Blickfeld rückten heimische Singvögel, die ihre Gesangsrepertoires eindrucksvoller denn je abrufen konnten. Trog der Eindruck oder wurden viele Arten wirklich präsenter in den letzten Wochen?

Für Andreas Kleewein, Biologe und Geschäftsführer von BirdLife Kärnten (siehe auch Interview), war es beides: "Die Vogelwelt konnte durch die Ruhe, die der Lockdown bot, wieder Gebiete zurückerobern, die ansonsten vom Menschen stark frequentiert sind und somit für die Vogelwelt eine Beunruhigung darstellen. Vor allem in den Städten und in dichter besiedelten ländlichen Ortschaften wurde das bemerkbar", so der Experte.

Andreas Kleewein, Biologe und Geschäftsführer von BirdLife Kärnten
Andreas Kleewein, Biologe und Geschäftsführer von BirdLife Kärnten © BirdLife Österreich



Besiedelt wurden dabei vor allem innerstädtische Bereiche, Wohnhausanlagen, Straßen, aber auch vorübergehend brachliegende Baustellen. Einige Arten kamen besonders zum Zug: Stieglitze waren laut Kleewein vermehrt im städtischen Raum bemerkbar. Das habe auch daran gelegen, dass gewisse Wiesenflächen, die ansonsten getrimmt werden, auf Zeit nicht gemäht wurden und ausreichend Nahrung boten.

Ein Grünling
Ein Grünling © Michael Dvorak/BirdLife Österreich

Mauersegler und Mehlschwalben, die es in den Städten schwer haben und wo wir große Rückgänge in den letzten Jahren verzeichnen mussten, bezogen stillstehende Baustellen. Mauersegler bezogen gar Rollkästen als Brutplätze. Der Wiedehopf wurde hingegen in dichter besiedelten ländlichen Regionen vermehrt beobachtet. Grund zur Freude: Von ihm dürfte es heuer mehr Brutpaare geben. Auf der anderen Seite war es aber auch ein subjektiver Eindruck in einer Welt "auf Standby": Der menschlich verursachte Hintergrundlärm verschwand – die Vögel wurden dadurch wahrgenommen. Die Vögel riefen aber nicht lauter, sondern eigentlich in Normallautstärke.

Ein Kiebitz
Ein Kiebitz © Michael Dvorak/BirdLife Österreich

"Eine subjektive Wahrnehmung", so Kleewein. Susanne Schreiner von BirdLife Österreich hält fest, dass (und das war zu erwarten) kurzfristige Verhaltensänderungen des Menschen und deren Auswirkung auf den Vogelbestand, wie sie während des zweimonatigen Corona-Lockdowns stattfanden, mit dem "Brutvogel-Monitoring", das die Vogelschutzorganisation bereits seit 1998 betreibt, nicht ermittelt werden können. Auch wenn die Gefiederten und ihre Lieder zuletzt in den Fokus rückten, gibt es insgesamt wenig Grund zur Freude, so Schreiner: "Die Zahl der Vögel geht dramatisch zurück. Seit 1980 verschwand europaweit mit rund 300 Millionen Brutpaaren die Hälfte der Vögel in ländlichen Regionen."

Eine Blaumeise
Eine Blaumeise © Michael Dvorak/BirdLife Österreich



In Österreich ging die heimische Vogelpopulation auf Wiesen und Äckern in den letzten 20 Jahren im Schnitt um rund 40 Prozent zurück, bei einzelnen Arten gar um bis zu 90 Prozent. Absolut dramatisch ist die Situation beispielsweise für den Grauammer, dessen Bestand um 91 Prozent sank – gefolgt von Girlitz mit einem Minus von 85 Prozent und dem einst allerorts angetroffenen Rebhuhn mit einem Minus von 84 Prozent. Lichtblicke sind rar, es gibt sie aber: Erstmals seit Ende der 1990er-Jahre dürfte der Rückgang der Kulturlandvögel aufgehalten worden sein, wie aktuelle Forschungsergebnisse im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums zeigen.

Eine Mehlschwalbe
Eine Mehlschwalbe © Katharina Stefke



Eine Art, die im Frühling besonders vielen Menschen auffiel, war der Kuckuck: Das lag an fehlenden Hintergrundgeräuschen, denn nach den Beobachtungen von BirdLife Österreich schallt es immer seltener so markant aus europäischen Wäldern und Fluren: Ein Drittel weniger Kuckucke in den letzten 40 Jahren europaweit, ein Viertel weniger von dieser Art in Österreich in den letzten 20 Jahren, bilanziert Schreiner. "Kuck-kuck" – ist das bereits ein Notruf?