Wie boomt Wirtschaft? Durch ständiges Wachstum, erklären Ökonomen. Nun, dann sollte Haubengastronomie auch in Zeiten der Krise boomen – denn die Zahl der Lokale, die sich "behaubten" konnten, ist neuerlich gewachsen: Im druckfrischen "Gault Millau" 2010 tragen 56 Kärntner und neun Osttiroler Restaurants die begehrten Kochmützen, um köstliche zwei mehr als im Vorjahr.
Zwei Bären in Höchstform
Positivste Überraschung sind wohl die Trippolts in Bad St. Leonhard. Gault Millau sieht die "zwei Bären erneut in Höchstform", gratuliert zu feinsinnig schnörkelloser, raffinierter Küche und zur Rückeroberung der dritten Haube. Silvio Nickol vom Schloss Velden und der Nassfelder Arnold Pucher behaupten mit 18 Punkten Kärntens Spitze, Michael Sicher aus Tainach hält weiter bei 17 Punkten, Sissy Sonnleitner hat allerdings ein Pünktchen und somit die dritte Haube eingebüßt: "Für 17 Punkte schwankt die Küchenleistung zu sehr, wir hoffen auf mehr Beständigkeit," notierten die Tester.
Von null auf zwei Hauben haben sich das "Grandhotel Lienz", der "Weissenseerhof" und Roman Pichler in Oberwuchel bei Grafenstein katapultiert: Er ist die One-Man-Kochshow im "Restaurant Moritz" und brillierte mit "ungemein zarter, gegrillter Schweinskarree-Rose mit Eierschwammerl-Millefeuille und mit Bananen-Creme-Brulee."
"Absturz des Jahres"
In dieser Liga gibt es auch den Absturz des Jahres zu vermelden: Hubert Wallner, im "Caramée" in Velden im Vorjahr noch 16 Punkte "schwer", wurde an seiner diesjährigen Wirkungsstätte "Aenea" in Reifnitz nur mehr für 13 Punkte gut befunden. "Wir haben extra einen zweiten Tester hingeschickt, er hat das Ergebnis bestätigt," sagt Gault-Millau-Chefredakteurin Martina Hohenlohe. Trotzdem sorgt die extreme Abwertung für Diskussionsstoff: Wallner, vor zwei Jahren auch Michelin-Stern-Anwärter, hat seine Kochkunst doch nicht verlernt, es wäre vielleicht gerechter gewesen, die Wertung auszusetzen, wie man das einmal bei Sissy Sonnleitner praktiziert hat.
Der Einhaubenbereich, Basis der gehobenen Küche, ist noch breiter geworden. Hier ist Franz-Josef Fleischhacker ein Mann, von dem man noch viel hören sollte. Der Klagenfurter, der bei den Vierhaubern Walter Eselböck (Taubenkobel, Burgenland) und Christian Petz (Coburg, Wien) im Einsatz war, hat im "La Balance" von Andrea und Karl Grossmann in Pörtschach auf Anhieb eine 14-Punkte-Haube erkocht: "Der Lax’n entwickelte perfekt temperiert im kleinen Gemüsebeet sein volles Aroma, eine Wonne die Dessert-Variation von Topfen und Marille," liest man im neuen Guide.
Starke Einsteiger
Mit Herwig Leitner aus Greifenburg wurde ein weiterer "Spargelwirt" in den Haubenkreis aufgenommen, die Liegls in St. Georgen haben sich mit dem Elan von Tochter Elisabeth auf 14 Punkte gesteigert. Starke Neohaubeneinsteiger sind das "Hotel Zedernklang" in Hopfgarten, die "Forelle" am Weissensee und der "Tirolerhof" in Dölsach.
Bei Hauben wurde also nicht gespart, allerdings vermisst man den einen oder anderen im Vorjahr mit 12,5 Punkten (knapp vor der Haube) gelisteten Betrieb.- Ein wenig hat "Gault Millau" den Testumfang doch reduziert. Der Oberitalien-Anhang fiel dem Rotstift zum Opfer: "Wir müssen krisenbedingt sparen, haben auch die geplante Ostausgabe zurückgestellt. Istrien ist aber weiter im Guide," erklärt Martina Hohenlohe.
Österreichweit ist an der Vierhaubenspitze (Johanna Maier, Obauer, Eselböck, Steirereck) alles beim alten, in der Steiermark ist das neue "Restaurant Didi Dorner" in Stainach mit drei Hauben eingestiegen. In Zürs am Arlberg hat der Kärntner Stefan Lastin in der "Bentleysstube" einen beachtlichen Start hingelegt: Zwei Hauben mit 16 Punkten, der Weissensteiner hat viele Hauben-PS.
Testen untersagt
Nichts mehr mit Hauben am Hut hat dagegen "Der Franzos" Herve Delclos: Der Klagenfurter teilte per Rechtsanwaltbrief mit, nicht mehr getestet werden zu wollen. "Aus rein privaten Gründen," sagt der bisherige Haubenwirt, "aber ich habe auch in Zeiten, als die Auszeichnung einmal weg war, den Umsatz gesteigert." Die Haube ist sicher nicht der einzige Schlüssel zum Erfolg, für viele Wirte aber doch die schönste Bestätigung. Vor allem nach dem Aus für den Michelin Österreich, der seine Sterne hierzulande nur mehr in Wien und Salzburg leuchten lässt.
HEINZ GRÖTSCHNIG