Die Prinzessin hat Geburtstag und das muss natürlich ordentlich gefeiert werden. Der Prinz wird auch kommen. Aber nicht mit dem weißen Pferd, sondern mit dem Fahrrad. Später. Jetzt erst einmal lehnt Leopold Altenburg seinen Drahtesel gegen einen Baum, setzt sich auf einen Holzsessel der Terrasse seines Lieblingscafés im Norden Berlins und tankt die wärmenden Sonnenstrahlen eines bislang nur allzu müden Herbstes. Obwohl seine Tochter ihren Ehrentag hat, nimmt er sich Zeit und klärt auf. Viele Mädchen würden gerne Prinzessin spielen, die echte Prinzessin mag aber derzeit lieber Wölfe auf dem Shirt und überhaupt kein Rosa.
Schon ist der erste Mythos über ein Fest bei den Nachkommen der Habsburger-Dynastie abgeräumt. Altenburg ist der Ururenkel von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth. Doch lange Zeit lebte er unerkannt in Berlin als freier Schauspieler, Regisseur, Kabarettist und Rote-Nasen-Clown im Krankenhaus. Bis das Musical „Elisabeth“ in der deutschen Hauptstadt aufgeführt wurde und seine Frau Juliane ihn anstupste, doch endlich sich das Werk über seine Ururoma anzuschauen. Sie wisse um seine Abneigung gegenüber Musicals, doch diesmal müsse er mit ihr dorthin. So erzählt Altenburg in seinem Buch „Der Kaiser und sein Sonnenschein“ über die Geschichte seines Großvaters Clemens Salvator, der der Lieblingsenkel von Franz Joseph war. Am Ende jedenfalls stand Altenburg auf dem roten Teppich der Premiere und ließ sich mit den Darstellern, die seine Ahnen mit Gesang und Tanz versahen, für die Medien fotografieren. Und ihn interviewen. Daraus entsprang der Wunsch, tief in die familiäre Geschichte und damit in die Historie seines Heimatlandes einzutauchen.
Die neue alte Rolle als Prinz
Es war aber nicht seine Herkunft allein. Viel mehr reizte ihn der Spagat zwischen seinem Hauptberuf als Klinikclown, dem freien Schauspiel und der neuen öffentlichen Funktion, die ihm nun zufiel: der Prinzenrolle. „Ich habe es nie verleugnet, aber auch nicht von mir aus erzählt“, sagt Altenburg im Café. Natürlich sei er nach den Gesetzen Österreichs kein Adeliger mehr, nach den Regeln des Habsburgerhauses und im Umgang mit dem Bürgertum und der Aristokratie eben doch ein Prinz. Seine Herkunft sei natürlich Thema daheim in Graz bei den Eltern gewesen, etwa wenn die Familie oder Freunde zu Gast waren. Doch das sei natürlich nie chronologisch passiert, sondern immer in Anekdoten. „Es war ein Puzzle, das ich als Kind nicht zusammenlegen konnte“, sagt Altenburg lachend. Erst mit der Arbeit an dem Buch habe er die Teile zu einem Bild verbinden können.
Mit 19 habe er Graz verlassen, sei erst zum Bundesheer nach Baden und dann ans Konservatorium in Wien gegangen. „Ich wollte die Welt kennenlernen und einen eigenen Weg gehen“, sagt der 48-Jährige. „Und das war eben nicht Prinz sein, sondern Clown und Schauspieler.“ Schon in Wien nach der Schauspielschule 1995 fing er die Arbeit bei den Roten Nasen an, die ein Jahr zuvor dort gegründet wurden. Dann verschlug es ihn nach Bielefeld in ein Theaterlabor, als Clown pausierte er viereinhalb Jahre, bildete aber Doktorclowns aus. Mit dem Umzug nach Deutschland legte er die Prinzenrolle ab. Schon bald zog er weiter nach Berlin, wo er seine Frau kennenlernte und der Clown zum Beruf wurde.
Altenburg sagt: „Ich war schon in der Familie immer der Komiker.“ Er habe oft lange zugehört, um dann mit einem Satz eine Pointe zu schaffen. Es habe ihm Spaß gemacht, der Clown zu sein. Die Roten Nasen kommen dem Bild am nächsten. Der Clown nehme für ihn eine faszinierende Rolle in einer Zwischenwelt ein zwischen arm und reich, krank und gesund, hilflos und machtvoll. Wenn er als Clown auftrete, rücke die Krankheit in den Hintergrund. „Ich genieße die Narrenfreiheit, die mir diese Rolle bietet“, sagt er. Es sei ein scharfer Kontrast zum Prinzen einer ehemals herrschenden Familie, die oben in der Gesellschaft stehe. In dieser Rolle sei man vielen Zwängen und Konventionen ausgesetzt und das stehe im Gegensatz zum Clown, der sich ganz unten in der Hierarchie befindet.
„Ich komme mit meinem Clownskostüm und den übergroßen Schuhen in das Zimmer eines schwerkranken Kindes und bekomme nicht einmal meinen Koffer durch die Tür“, erzählt der Schauspieler. „Dann kann mir das Kind sagen: Das muss aber so und so sein, damit du durchkommst.“ Plötzlich könne das Kind bestimmen und der Chef sein. „Es ist zunächst ein Spaß und doch viel mehr.“ Denn alle außen herum, die Schwester, Ärzte, Eltern wüssten doch viel besser, wie es um den Kranken steht und was zu tun ist. „Das Kind ist ganz unten in der Wissenskette. Dann kommt der Clown herein und weiß noch weniger.“
Auch in der Psychiatrie und bei Demenzkranken werden die Clowns eingesetzt. Dafür musste Altenburg viele Ausbildungen machen und Zertifikate erlangen. Alles ist nach 25 Jahren hochprofessionell. „Wir müssen wissen, was ein Wachkoma-Patient mitbekommt, wie es für Demenzkranke ist, auf einen Clown zu treffen, welche Hygiene notwendig ist.“
Leopold Altenburg lehnt sich im Holzsessel zurück. Gleich muss er zum Geburtstag seiner Prinzessin. Er sei froh, dass er seiner Berufung folgen konnte. Sein Vater Peter, der Verlagskaufmann beim Styria-Verlag war und 2008 viel zu früh starb, habe ihn jedenfalls immer im Streben nach einem eigenen Weg unterstützt. Deshalb sei er so stolz auf seinen Großvater Clemens Salvator, der für seine Liebe gekämpft habe, die nach den Hausgesetzen der Habsburger nicht standesgemäß war. Der Opa musste dafür in Kauf nehmen, den Namen gegen Altenburg einzutauschen. Er war der Sonnenschein des Kaisers und genoss eine Sonderstellung. Auf die konnte er vertrauen. Er brachte den Kaiser zum Lachen und das wiederum hat er dem Enkel weitergegeben.
Ingo Hasewend aus Berlin