Welche sind die problematischsten Stoffe, die aus Plastik in unseren Körper gelangen?
HANS-PETER HUTTER: Dazu zählen sicher Weichmacher wie Phthalate und Bisphenole. Aber auch andere Stoffe wie bromierte Flammschutzmittel, Hitze- und UV-Stabilisatoren oder Duftstoffe dürfen nicht vernachlässigt werden. Es sind nicht nur die einzelnen Chemikalien, es ist die große Zahl der beigesetzten Stoffe, zu deren Langzeitwirkung wir großteils kaum etwas wissen.

Auf welchen Wegen gelangen diese Stoffe sie in unseren Körper?

Wesentlich ist sicher die orale Aufnahme etwa über Nahrungsmittel oder bei krabbelnden Kleinkindern zusätzlich über Hausstaub. Aber auch über die Atemwege und die Haut gelangen die Substanzen in unseren Organismus, zum Beispiel über Kleidung, die diese Stoffe enthält.

Die hormonelle Wirksamkeit der Stoffe wird besonders kritisiert: Was weiß man über die Auswirkungen? Sind sie schuld, dass Männer weniger fruchtbar sind?

Am Beginn der Forschung standen der negative Einfluss auf die Entwicklung des Embryos und auf die Fähigkeit zur Fortpflanzung im Fokus. So wurden zum Beispiel Fehlbildungen der Genitalien mit diesen Stoffen in Zusammenhang gebracht. Eine US-Studie hat auch gezeigt: Haben Schwangere häufig Kontakt mit Weichmachern, wirkt sich das negativ auf die Intelligenz ihrer Kinder aus. Heute häufen sich auch Hinweise darauf, dass die Stoffe Auswirkungen auf die Schilddrüse haben und im Zusammenhang mit Diabetes stehen. Es scheint auch, dass der Weichmacher Bisphenol die Zähne von Kindern schädigt: Ihr Zahnschmelz entwickelt sich nicht richtig, die Zähne werden brüchig und anfällig für Karies.

Und wie ist das jetzt mit der Fruchtbarkeit?

Es stimmt, dass bei jungen Männern in industrialisierten Ländern die Zahl der Spermien sinkt. Die männliche Fruchtbarkeit hängt aber von vielen Faktoren ab, etwa von Stress. Eine gewisse „Mitschuld“ ist den hormonell wirksamen Stoffen aber sicher nicht abzusprechen.

Können diese Stoffe auch krebserregend sein?

Sie stehen zumindest im dringenden Verdacht, die Anfälligkeit für Krebsarten wie Prostata- und Brustkrebs zu erhöhen.

Die WHO hat hormonell wirksame Stoffe als globale Gesundheitsbedrohung eingestuft – teilen Sie diese Meinung?

Ja. Neben dem Klimawandel und der Luftverschmutzung sind Umweltchemikalien sicherlich eine globale Gefahr. Nicht nur, was die unmittelbare Auswirkung auf uns Menschen betrifft. Es zeigen sich teils massive Beeinträchtigungen im Ökosystem der Meere, denken Sie nur an das Mikroplastik. In Folge kommt es zu einer Störung der Nahrungsketten. Und damit ist auch unsere Lebensgrundlage betroffen. Nur leider wird das allzu oft weggewischt.

Hans-Peter Hutter, Med Uni Wien
Hans-Peter Hutter, Med Uni Wien © dujmic

Können wir den Schadstoffen überhaupt noch entkommen?

Wir können unsere Aufnahme minimieren. Aber selbst bei eisernem ‘Plastikfasten’, also wenn man jede Berührung mit Plastik meidet, bleibt eine Restbelastung im Körper bestehen. Das konnten wir in Studien zeigen.

Welche Tipps für den Umgang mit Kunststoff im Alltag haben Sie?

Plastik ist überall. Das heißt aber auch: Wir haben viele Möglichkeiten, es zu minimieren. Dabei gilt, selbst Kleinigkeiten zu vermeiden bedeutet eine Reduktion der Belastung! Sie sollten auf Plastikstrohhalme und Plastiksackerl sowie auf Kosmetika mit Mikroplastik verzichten, Leitungswasser trinken , bei Kindern soweit wie möglich plastikfreie Spielsachen anschaffen. Und nicht zuletzt: aktiv werden und Aktionen unterstützen.