1. Muss jeder Schmerz behandelt werden?

Schmerzspezialist Rudolf Likar appelliert an die Gesundheitskompetenz jedes Einzelnen: „Wer immer nur sitzt, tut seinem Körper nichts Gutes.“ Bewegung könne eine gute Strategie sein, um mit Schmerzen, die z. B. durch Verspannungen ausgelöst werden, fertigzuwerden. „Nicht immer braucht es den Arzt“, sagt Likar. Doch wird der Schmerz nicht besser oder ist sehr stark, ist die frühzeitige Diagnose wichtig.

2. Warum ist die frühe Abklärung so wichtig?

Einerseits können starke Schmerzen ein Hinweis auf eine Erkrankung sein. Andererseits besteht die Gefahr, dass aus einem akuten ein chronischer Schmerz wird. Der kritische Zeitraum sind zwölf Wochen: Besteht ein Schmerz über diese Zeit, sprechen Experten vom chronischen Schmerz, der sich verselbstständigen kann. Je früher die Therapie beginnt, desto eher kann die Chronifizierung verhindert werden.

3. Mit welchem Kopf- oder Rückenschmerz muss ich zum Arzt?

Laut Schmerzmedizinerin Janina Dieber sollte jeder neu aufgetretene, heftige Kopfschmerz abgeklärt werden. Beim Rückenschmerz gilt: Sind die Schmerzen sehr stark, bessern sie sich durch einfache Maßnahmen nicht oder treten sogar Lähmungserscheinungen auf, gilt: sofort zum Arzt.

4. Welche Rolle spielt Bewegung in der Therapie?

In der Behandlung chronischer Schmerzen spielt Bewegung die zentrale Rolle. Der Irrglaube, bei Schmerzen müsse man sich schonen, ist aber weit verbreitet - und das führt zum Teufelskreis: Muskeln schwinden, Fehlbelastungen verstärken die Schmerzen weiter.

5. Wie kann sich der Schmerz verselbstständigen?

Der Schmerz ist ein wichtiges Warnsignal des Körpers. Greift man auf die heiße Herdplatte, zeigt der Schmerz: Tu es nicht! Doch bei chronischen Schmerzen geht diese Funktion verloren, die Systeme geraten aus der Balance: Das natürliche Hemmsystem für Schmerzen funktioniert nicht mehr, „Wohlfühlhormone“ fehlen, die Lebensfreude geht verloren. So wird der Schmerz zum eigenen Krankheitsbild.

6. Was ist in der Therapie wichtig?

Um chronische Schmerzen zu behandeln, braucht es den multimodalen Ansatz, der an der Schmerzambulanz am Klinikum Klagenfurt entwickelt wurde. Dabei arbeiten Ärzte mit Physiotherapeuten, Psychologen und Psychotherapeuten zusammen. Eine zentrale Säule sind zum Beispiel Entspannungs- und Achtsamkeitstherapien, die Patienten helfen, mit dem Schmerz leben zu lernen. So kann die Lebensqualität verbessert werden.

Rudolf Likar, Klinikum Klagenfurt
Rudolf Likar, Klinikum Klagenfurt © Kabeg

7. Welchen Stellenwert hat Cannabis in der Therapie?

„Wir brauchen mehr Studien zum richtigen Einsatz“, sagt Likar. Es gebe vielversprechende Erfolge, doch es brauche mehr Wissen über die richtige Dosis und Zusammensetzung der Wirkstoffe (THC, CBD). „Außerdem muss Cannabis in den Händen von Ärzten bleiben“, sagt Likar, sonst bestehe die Gefahr, dass die Präparate unkritisch und viel zu großzügig eingesetzt werden, wie das in den USA geschehen sei.

8. Wie beeinträchtigen chronische Schmerzen das Leben?

Chronische Schmerzen können die Lebensqualität massiv beeinträchtigen: „Schmerzpatienten ziehen sich oft zurück, geraten in soziale Isolation“, sagt Anästhesistin Renate Barker. Schmerz ist auch ein chronischer Stressfaktor: Patienten geraten in eine Teufelsspirale, der Schmerz ist das bestimmende Thema. Eine aktuelle Studie zeigt, dass chronische Schmerzpatienten eine kürzere Lebenserwartung haben.