Würde man vor die Wahl gestellt werden, auf welchen Sinn man verzichten will, würden viele wohl den Geruchssinn wählen. Eine fatale Entscheidung, wie die Psychologin Veronika Schöpf von der Uni Graz (Institut für Neuroimaging) sagt, denn: „Der Verlust des Riechvermögens hat gravierende Auswirkungen auf das Leben.“ Denn vor allem Zwischenmenschliches läuft über die Nase: Der Geruchssinn spielt zum Beispiel eine entscheidende Rolle bei der Partnerwahl.

„Diese chemischen Prozesse laufen völlig unterbewusst ab – doch wenn sie verschwinden, stört es das Leben umso mehr“, sagt Schöpf. Vielen Menschen mit Riechstörungen würden an Depressionen leiden und sich sozial völlig zurückziehen.

15 Prozent betroffen

Der betörende Duft der Pinien, das intensive Aroma des Lavendels, der Dampf vom Holzkohlengrill, der schon eine Vorahnung des Grilltellers auf den Gaumen zaubert: All diese typischen Urlaubsgenüsse bleiben Menschen ohne Riechvermögen vorenthalten. 15 Prozent der Bevölkerung sind im Laufe ihres Lebens von einer Riechstörung betroffen, bei rund fünf Prozent liegt eine sogenannte totale Anosmie vor – die Betroffenen riechen gar nichts mehr.

Die Ursachen können vielfältig sein: „Riechstörungen können mit neurologischen Erkrankungen zusammenhängen“, sagt Schöpf. So ist die Riechstörung oft ein frühes Symptom der Parkinson-Erkrankung. Aber auch bei Alzheimer, Schizophrenie oder multipler Sklerose könne der Verlust des Riechvermögens eine Begleiterscheinung sein.

Nasenflora

Zu einem großen Teil ist die Ursache solcher Riechstörungen aber noch unklar. Die Frage, mit der sich das Team um Schöpf nun beschäftigt, ist: Wie hängt die bakterielle Besiedelung der Nasenflora mit dem Riechvermögen zusammen? Man weiß heute, dass diese winzigen Mitbewohner einen großen Einfluss auf unseren Körper haben: Das Mikrobiom (die Gesamtheit der Bakterien im Darm) kann Menschen depressiv machen, das Immunsystem beeinflussen und über Gewichtsprobleme entscheiden.

Sind wir mikrobiom-gesteuert? Diese Frage stellt sich laut Schöpf nicht nur für den Darm, sondern auch für die Nase, deren Schleimhaut ebenso mit Bakterien besiedelt ist. In einer Grundlagenstudie wollen sie und ihr Team deshalb herausfinden, wie die Nasenflora zusammengesetzt ist – und wie sich diese Besiedelung auf den Geruchssinn auswirkt.

Bisher keine Therapie

„Bisher gibt es keine wirklich erfolgreichen Therapien bei Riechstörungen“, sagt Schöpf. Zwar gebe es ein sogenanntes Riechtraining, wobei Betroffene über 36 Wochen an speziellen Riechfläschchen schnüffeln – der Erfolg ist aber nicht garantiert. Die Studie der Grazer Forscher soll die Grundlage für zukünftige Therapien schaffen, sagt Schöpf: „Unsere Vision ist eine personalisierte Therapie.“

Und die könnte so aussehen, dass man eine Probe seiner Nasenschleimhaut abgibt und je nach bakterieller Zusammensetzung einen individuell zugeschnittenen Nasenspray erhält – der Lavendel, Pinien und Grillduft wieder riechbar macht.