Für Gunda Pristauz-Telsnigg, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, ist ein Argument in der Behandlung spezifischer onkologischer Frauenerkrankungen ganz wichtig: „Auf einer gynäkologischen Abteilung wie in unserem Krankenhaus können wir uns um die Frau als Ganzes kümmern. Von der ­Diagnose über chirurgische, onkologische Behandlungen, Therapie, psychologische Betreuung und Nachsorge ist alles an einem Ort. Hier er­fahren Frauen eine Rundumbetreuung“, erklärt Pristauz-Telsnigg, die sich unter anderem auf Tumorgenetik und Onkologie/Brustkrebs spezialisiert hat.

„Grundsätzlich ist das Wissen über die Genetik von Brustkrebs oder Eierstockkrebs sprunghaft gestiegen, wir leiten nicht nur die Dia­gnostik davon ab, sondern richten auch die Therapien nach den diagnostizierten genetischen Veränderungen.“ Das Behandlungsspektrum habe sich aufgrund der vielen genetischen Veränderungen enorm erweitert. „Es geht in der Genetik also nicht mehr hauptsächlich um seltene Erb­erkrankungen, sondern um moderne Krebstherapien.“ Sie stellt auch fest: „Wir sind vielleicht nicht mehr am Anfang des Weges, wir sind aber auch erst mittendrin. Uns fehlen noch viele Puzzlesteine, selbst wenn wir heute beim Brustkrebs gute Therapieerfolge erzielen.
Bei den zielgerichteten Therapien gegen den Eierstockkrebs sehen wir sogar Überlebensvorteile.“ Das Schwierige an der Behandlung bleibt für Pristauz-Telsnigg: „Wenn wir an einem Wirkmechanismus des Tumors mit einem Wirkstoff ansetzen, verändert sich ein anderer Wirkmechanismus des Tumors, er versucht auszuweichen – deshalb sehen wir den Trend, mehrere Therapien zu kombinieren, was allerdings mehr Nebenwirkungen mit sich bringen kann. Die Zukunft für uns, und da stehen wir erst am Beginn, ist klar: Frauen werden immer mehr individualisiert therapiert.“

Karl Tamussino, Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am LKH Universitätsklinikum Graz, sieht auf der einen Seite die Chancen der neuen Therapien – auf der anderen macht er auf die riesigen Möglichkeiten in der Prävention aufmerksam. „Das Musterbeispiel war der Krebsabstrich, jetzt ist die HPV-Impfung unser wichtigstes Ass im Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs und andere Krebsarten, die auch Männer treffen können.“ Und Tamussino sagt weiter: „Die Australier etwa, die schon früh mit der Impfung begonnen haben, hoffen, diese Erkrankung bis 2028 ausgerottet zu haben. Wir können deshalb an so optimistische Aussagen glauben, weil die Evidenz und die Effektivität der Impfung erdrückend sind. Die Impfung wirkt fast besser als versprochen, es gibt exzellente Daten, dass sie gut funktioniert.“

Erkrankungen wie Feigwarzen und präinvasive Veränderungen am Muttermund (Tumoren, die ihr Ursprungsgewebe noch nicht verlassen haben) würden in Ländern mit hohen Impfraten stark zurückgehen. Ein anderes wichtiges Thema bleibt für Tamussino Eierstockkrebs. Auch hier „tut sich viel“, sowohl in der medikamentösen wie in der operativen Behandlung. Man sei jedoch noch nicht so weit, diese Krebsart zu einer chronischen Erkrankung zu therapieren.

Das Problem sei, dass man Eierstockkrebs nicht früh genug erkenne. Deshalb gehe man in der Prävention neue Wege. Man wisse, so Tamussino, dass diese Krebserkrankung oft in den Eileitern (Tuben) entstehen würde. Man denke deshalb sogar darüber nach, auch im Rahmen ­anderer Operationen – etwa einer Gallenblasen-OP – die Tuben zu ­entfernen. Grundsätzlich biete man nach Absprache mit Patientinnen an, „bei gynäkologischen Operationen Tuben zu entfernen und den Eierstock im Körper zu belassen.“

Arnim Bader, der auf Operationen spezialisierter Gynäkologe und erster Stellvertreter der Abteilung, führt auch solche Operationen durch. „Wenn die Familienplanung abgeschlossen ist, kann man die Eileiter entfernen. Durch den Verbleib der Eierstöcke ändert sich hormonell für die Frau nichts, aber das Krebsrisiko kann damit gesenkt werden.“

Im operativen Bereich sieht Bader mehrere Fortschritte. Heute gelinge es, die Radikalität der Operationen auf das individuelle Ausmaß der Erkrankung abzustimmen. Und man sei Vorreiter in Österreich bei einer speziellen Technik zur Lymphknoten-Entfernung beim Gebärmutterkrebs gewesen.

Dabei wird – stark vereinfacht erklärt – ein Kontrastmittel während der Operation gespritzt, das über Lymphbahnen bis zum erstgelegenen Lymphknoten fließt. Das Verfahren selbst ist komplex. Das Kontrastmittel ist nur über spezielle Lichtfrequenzen und spezielle OP-Kameras sichtbar. Dieser erste Lymphknoten kann gezielt entnommen werden. Eine erweiterte Lymphknoten-Entfernung ist damit nicht mehr notwendig. Das Ziel sei es, Nebenwirkungen etc. zu verhindern, Komplikationen und Risiken zu minimieren.

Der große Trend in der Chirurgie heiße seit Jahren „ERAS“: Enhanced Recovery After Surgery, frei übersetzt „verbesserte Erholung nach der Operation“, die Patientin soll möglichst schnell ins „normale“ Leben zurückfinden. Dabei geht es nicht nur um die OP selbst, sondern um ein multidisziplinäres Zusammenwirken aller Beteiligten für die Patientin während ihrer Operation.

Das Ziel: den Gesamtstress einer OP für den Organismus zu minimieren. Das beginne laut Bader schon bei der Patientinnen-Information, führe weiter über die OP-Vorbereitung („Wir machen keine Dinge wie Darm­entleerung etc., auch das bedeutet Stress“) und setze sich fort bei Schmerzbehandlung und Narkoseverfahren. Viele ­Operationen, für die Frauen früher tage- und wochenlang im Spital waren, seien heute tagesklinisch bewältigbar oder man verlässt am Tag nach der OP das Spital. „Im Endeffekt klingt alles einfach, aber es müssen viele Dinge zusammenspielen“, so Arnim Bader.