Für viele Lungenkrebspatienten stehen personalisierte Therapien zur Verfügung, die Tumorzellen zielgerichtet angreifen oder das körpereigene Immunsystem dagegen scharfmachen, berichteten Mediziner am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Damit erreiche man immense Fortschritte in der Behandlung, erklärte Gabriela Kornek vom Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Wien: "Die Chancen der Patienten auf ein langes Überleben bei guter Lebensqualität sind dadurch deutlich gestiegen."

"Durch die Einführung modernerer, zielgerichteter Substanzen konnten sowohl die Behandlungsergebnisse als auch die Verträglichkeit deutlich verbessert werden", sagte Maximilian Hochmair von der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie der Klinik Floridsdorf in Wien. "Lungenkrebs ist die am häufigsten zum Tode führende Krebserkrankung." Moderne Behandlungsformen wie die zielgerichtete Therapie könnten zwar in der Regel keine komplette Heilung herbeiführen, aber das Überleben verlängern und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern.

Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Hautausschlag und Durchfall wären damit viel seltener und, wenn sie auftreten, milder als bei Chemotherapien. Die zielgerichtete Therapie sei außerdem oft in Tablettenform verfügbar und somit sehr einfach in der Anwendung. Um Angriffspunkte für eine zielgerichtete Therapie zu finden, werden Tumorgewebeproben nach sogenannten Biomarkern untersucht, erklärte Hochmair: "Sie erlauben eine individuelle Prognose darüber, welche Substanz mit hoher Wahrscheinlichkeit die beste Wirkung erreicht."

Veränderungen, die das Wachstum befeuern

Bei mehr als der Hälfte aller Lungenkrebspatienten findet man molekulare Veränderungen, die das Tumorwachstum antreiben, berichtete Dagmar Krenbek vom Institut für Pathologie und Bakteriologie der Klinik Floridsdorf. Sie tragen zum Beispiel die Namen "KRAS", "G12C" oder "EGFR". Gegen viele von ihnen stehen zielgerichtete Therapien zur Verfügung. Dadurch werden für diese Personen speziell auf sie zugeschnittene Behandlungen möglich. "Die Therapie wird dann individuell nach dem Biomarker-Status der Betroffenen maßgeschneidert", erklärte die Pathologin.

Früher habe man in der Lungenkrebsdiagnose bei Gewebeuntersuchungen bloß zwischen kleinzelligem und nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom unterschieden, so Krenbek. Heute würde bei jedem neu diagnostizierten Lungenkarzinom eine "reflektorische Biomarkertestung" durchgeführt. Die Ergebnisse schicken die Pathologen automatisch an die Onkologen, ohne dass jene gesondert solche Tests anfordern müssten. Durch dieses Prozedere der flächendeckenden reflektorischen Tests gewinne man mindestens eine Woche Zeit vor einer Therapieentscheidung. "Dafür wird Österreich international beneidet", meint Krenbek. Bei Patienten, bei denen keine Krebsantreiber-Mutationen gefunden werden, wird nach einem anderen Biomarker namens PDL1 Ausschau gehalten. Erhalten sie den Befund PDL1-positiv, bedeutet dies eine erhöhte Chance für ein Ansprechen einer Immuntherapie.

Wie eine Immuntherapie funktioniert

In der Immuntherapie wird das körpereigene Immunsystem mit bestimmten Substanzen (Checkpoint Inhibitoren) gegen den Tumor reaktiviert, der sich zuvor quasi mit einer Tarnkappe davor geschützt hat, erklärte Barbara Kiesewetter-Wiederkehr von der Klinischen Abteilung für Onkologie der Medizinischen Universität Wien. Früher wurde sie nur beim Auftreten von Metastasen (Tochtergeschwulsten, Anm.) eingesetzt, aktuelle Studiendaten und klinische Erfahrungen zeigten aber, dass dies auch in früheren Krankheitsstadien effektiv ist. Die Immuntherapie würde "in naher Zukunft" sogar vor einer Operation infrage kommen. "Positive Studien gibt es hierfür schon, aber noch keine Zulassung", so Kiesewetter-Wiederkehr.

Freilich gäbe es bei der Immuntherapie auch teils Nebenwirkungen, wenn das Immunsystem überreagiert und körpereigene Strukturen zum Beispiel in der Schilddrüse angreift, erklärte die Medizinerin: "Diese Effekte sind jedoch in der Regel gut behandelbar."