"Wo hat die Pandemie ihren Ausgang genommen? War es in der Natur oder in einem Labor?", fragt die Virologin Angela Rasmussen auf Twitter. Und fügt hinzu: "Seit dem Beginn der Pandemie konnte diese fundamentale Frage nicht beantwortet werden. Bis jetzt." Eine Forschungsgruppe, der Rasmussen angehört, hat nun im renommierten Wissenschaftsmagazin "Science" eine neue Studie zur Stunde null der Pandemie veröffentlicht. 

Darin kommen die Fachleute zum Schluss, dass der Huanan Seafood Wholesale Market in Wuhan (China) ein frühes Epizentrum der Pandemie war. Neben der Gruppe um Rasmussen kommt eine weitere, ebenfalls in einer neuen Studie, zu einem ähnlichen Ergebnis. Diese Erkenntnisse haben auch zur Folge, dass die sogenannte Labortheorie, die auch schon der deutsche Virologe Christian Drosten in Zweifel gezogen hatte, ins Hintertreffen geraten ist – wir haben hier darüber berichtet

Die Untersuchungen hätten gezeigt, "dass es einfach nicht plausibel ist, dass dieses Virus auf eine andere Weise als durch den Handel mit Wildtieren auf dem Markt von Wuhan eingeschleppt wurde", sagte Rasmussens Kollege und Erstautor, der Virologe Michael Worobey von der University of Arizona, am Dienstag. Worobey hatte im vergangenen Jahr einen offenen Brief unterzeichnet, in dem dazu aufgerufen wurde, die Theorie eines Laborunfalls im Institut für Virologie in Wuhan weiter in den Blick zu nehmen. Die seitdem gesammelten Erkenntnisse hätten ihn aber zum Umdenken bewegt, sagte der Virologe nun. Das Virus sei "auf diesem Markt entstanden und hat sich von dort aus ausgebreitet".

Studien-Mitautor Kristian Andersen vom Scripps Research Institute sagte, die Theorie eines Laborlecks sei zwar nicht widerlegt. Es sei aber wichtig zu verstehen, "dass es mögliche und wahrscheinliche Szenarien gibt. Und dass möglich nicht gleich wahrscheinlich ist."

Erste Fälle rund um den Huanan-Markt

In der ersten Untersuchung wurde die geografische Verteilung der ersten Covid-19-Fälle im Dezember 2019 analysiert, wobei sich zeigte, dass diese eng um den Huanan-Tiermarkt in Wuhan herum angesiedelt waren (siehe Grafik). Einige der ersten Patienten, die in der jüngeren Vergangenheit den Markt nicht besucht hatten, lebten in unmittelbarer Nähe des Marktes.

© Science

Die Forscher analysierten zudem Virus-Proben, die sie im Jänner 2020 auf dem Markt genommen hatten. Den Angaben zufolge konzentrierten sich diese auf den südwestlichen Teil des Marktes, wo lebende Tiere wie Füchse oder Marderhunde verkauft wurden.

Die zweite Studie nahm eine Genom-Analyse des Virus vor, das bei den ersten Coronapatienten nachgewiesen wurde. Dabei untersuchten die Forscher zwei Abstammungslinien des Erregers. Sie kamen zu dem Schluss, dass beide bei verschiedenen Ereignissen, im November und Dezember 2019, von Tieren auf dem Markt auf Menschen übergesprungen sind. Es sei unwahrscheinlich, dass das Virus vor November 2019 beim Menschen zirkulierte, schrieben die Wissenschaftler.

Die Labortheorie

Die Coronapandemie hatte Ende 2019 in Wuhan ihren Ausgang genommen. Schon bald war darüber spekuliert worden, dass das Virus bei einem Unfall im Institut für Virologie in Wuhan entwichen sein könnte, in dem an Coronaviren geforscht wird. Die chinesische Regierung bestreitet dies energisch.

Erst im Jänner 2021 konnte dann ein internationales Experten-Team der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Wuhan besuchen. Der von den Experten vorgelegte Bericht lieferte aber keine klaren Ergebnisse zum Ursprung der Pandemie. Die sogenannte Labortheorie stuften die WHO-Experten damals als "extrem unwahrscheinlich" ein.

An dem Bericht und der Untersuchung selbst waren aber schnell Zweifel und Kritik laut geworden. Viele Länder äußerten Besorgnis darüber, dass den internationalen Experten bei ihrer Untersuchung in China Zugang zu wichtigen Daten verwehrt worden sei. Weitere Untersuchungen, wie sie auch von WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus gefordert wurden, lehnt die chinesische Regierung bisher vehement ab.