Weniger essen, mehr Sport treiben. Das waren über Jahre quasi die einzigen Ratschläge, die Susanne von Ärztinnen und Ärzten bekommen hatte. Ihr Problem: Sie nahm an Gewicht zu, vor allem die Beine wurden stärker und waren schmerz- als auch druckempfindlich.

Und das, obwohl die junge Frau Sport trieb, im Fitnessstudio Kraft trainierte, auf ihre Ernährung achtete. Doch nichts zeigte einen Effekt. "Ich habe nicht abgenommen, das Gegenteil war der Fall", schildert Susanne. "Und trotzdem hat mein Hausarzt zu mir gesagt, ich soll einfach weniger essen." Es war nicht nur das Gewicht, das an ihren Nerven zerrte. Es waren die leisen Unterstellungen, sie sei einfach zu faul, um abzunehmen. Das ist mit ein Grund, wieso Susanne ihren echten Namen nicht in Zeitung lesen möchte.

Lipödem: Krankhafte Vermehrung des Unterhautfettgewebes

Schließlich wurde Anfang 20 bei einem Reha-Aufenthalt in Kärnten bei Susanne ein Lipödem diagnostiziert. Dabei handelt es sich um eine krankhafte Vermehrung des Unterhautfettgewebes. "Das bedeutet, dass sich Fettzellen unkontrolliert vermehren. Hinzukommt auch eine schmerzhafte Entzündungsreaktion", erklärt der Dermatologe Matthias Sandhofer. Bis auf wenige Ausnahmen sind hauptsächlich Frauen von dieser Erkrankung betroffen, die in erster Linie einen genetischen Ursprung hat. Neben Susanne leiden auch ihre Mutter und ihre Großmutter an einem Lipödem. Betroffen sind in den meisten Fällen die Beine, aber auch die Arme können diese schmerzhaften Veränderungen aufweisen. "Das Problem mit dieser Erkrankung ist, dass sie meist gar nicht erkannt wird, die Patientinnen haben nicht selten eine wahre Odyssee hinter sich", sagt Sandhofer.

Ein weiteres Problem: Die einzig nachhaltige und wirkungsvolle Therapie ist eine Liposuktion, also eine Fettabsaugung. Lymphdrainagen und Kompressionsstrümpfe – all das hat Susanne probiert – können zwar kurzfristig Linderung verschaffen, das Fortschreiten der Erkrankung aber nicht aufhalten. Doch eine Liposuktion ist kostspielig, und die Krankenkasse, bei der Susanne versichert ist, übernimmt diese Kosten nicht automatisch. Susanne benötigt drei Operationen, Kostenpunkt 18.000 Euro. Dieses Geld kann Susanne nicht aufbringen. Doch die Versicherungsanstalt hat mehrere Anträge Susannes abgewiesen. Zuletzt am 1. April 2022: Der Eingriff sei keine "zweckmäßige Maßnahme der Krankenbehandlung". Stattdessen wurde ihr nahegelegt, Gewicht zu verlieren.

Fettabsaugung als einzig wirkungsvolle Therapie

Experte Sandhofer widerspricht dieser Einschätzung vehement: "Die Liposuktion ist die einzig wirkungsvolle Therapie. Durch sie werden Patientinnen mobiler, die Lymphgefäße werden durchlässiger."
Seit fast zehn Jahren kämpft Susanne schon gegen diese Erkrankung, erste Symptome hatte sie schon in der Pubertät. Dadurch, dass sie von Ärzten nicht ernst genommen wurde, und durch falsche Diagnosen ist wertvolle Zeit verstrichen, das Lipödem vorangeschritten. "Diese Krankheit verursacht Schmerzen, aber auch die Psyche leidet", sagt Susanne. Bewegung und Sport befeuern den Prozess noch.

Bei vielen der rund 200.000 Betroffenen in Österreich mündet die Erkrankung in einem Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben, etwa Depressionen können die Folge sein. Auch Susanne hat sich immer mehr zurückgezogen. "Man will gar nicht mehr hinausgehen", sagt Susanne. Und wenn sie Kleidung kauft, dann passt manch ein Stück nach wenigen Tagen nicht mehr. Sport wie Eislaufen im Winter macht sie hin und wieder. "Auch wenn ich weiß, dass ich danach Schmerzen haben werde. Aber ich kann mich nicht ständig einsperren."

Für sie würde die dringend benötigte Operation eine Rückkehr ins Leben bedeuten. "Mir würde ein riesiger Stein vom Herzen fallen", sagt Susanne. "Ich könnte meinen Hobbys nachgehen, Freunde treffen, mit ihnen auf Konzerte gehen."