Es sind 331 Impfstoffe, an denen derzeit laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den Laboren der Welt geforscht wird. Sie verfolgen unterschiedliche Ansätze, setzen auf unterschiedliche Technologien, längst nicht alle werden es bis zu einer behördlichen Zulassung schaffen, aber sie haben einen gemeinsamen Gegner: SARS-CoV-2, den Erreger von Covid-19.

Ein weiterer Kandidat hat sich kürzlich aus der Deckung getraut: Ein sogenannter "Spikeprotein-Ferritin-Nanopartikel"-Impfstoff (SpFN), an dem am Walter Reed Army Institute of Research (WRAIR) gearbeitet wird, einer Forschungseinrichtung des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika mit Sitz nahe der Hauptstadt Washington D. C.

Wirksam gegen mehrere Varianten

Der große Vorteil dieses Vakzins soll darin bestehen, dass es nach aktuellem Kenntnisstand gegen alle bisherigen Varianten von SARS-CoV-2 Wirkung zeigt – inklusive Omikron, wie erste Daten aus Laborversuchen nahelegen. Könnte der Impfstoff tatsächlich eine breitere Immunität gegen Coronaviren entfalten, hätten es künftige Mutationen möglicherweise schwerer, den Schutz zu umgehen.

Anders als bei den bisherigen Corona-Impfstoffen ist das Vakzin nicht auf einen bestimmten Virusstamm zugeschnitten, sondern auf mehrere gleichzeitig: Die Forscher verwenden ein Ferritinmolekül, das die Form eines Fußballs hat und 24 Andockstellen bietet. Darauf kann man die Spikeproteine mehrerer Stämme des Coronavirus platzieren. Das Immunsystem wird beim Impfen zeitgleich mit mehreren Varianten konfrontiert und bildet T-Zellen und Antikörper aus. Für die Verabreichung ist ein Wirkstoffverstärker notwendig.

Ferritin ist ein Eiweißstoff, der im menschlichen Körper natürlich und häufig vorkommt und Eisen im Körper speichert. An der Technologie der sogenannten "Nanovakzine" wird schon länger geforscht, es liegen bereits Studien zu der Technologie als Basis für Influenzaimpfstoffe vor.

Phase-I-Studie abgeschlossen

Seit fast zwei Jahren, mit dem Vorliegen der ersten DNA-Sequenzierung des Covid-19-Erregers Anfang 2020, wird im Forschungsinstitut an dem Impfstoff gearbeitet: "Wir haben uns dazu entschieden, auf lange Sicht zu arbeiten und uns nicht nur auf den Wildtyp zu konzentrieren, sondern zu berücksichtigen, dass das Virus mutiert", sagte Kayvon Modjarrad, Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten des Walter Reed Army Institute of Research, dem US-Fachmagazin Defense One. "Unsere Plattform und unser Ansatz sollen es ermöglichen, darauf vorbereitet zu sein."

Versuche mit dem neuen Impfstoff an Rhesusaffen hatten bereits Anfang 2021 begonnen und positive Resultate gezeigt: Die Tiere bildeten neutralisierende Antikörper sowohl gegen den Wildtyp des Coronavirus als auch gegen die Varianten Alpha, Beta, Gamma und Delta und sogar den früheren Erreger SARS-CoV-1, wie im Fachmagazin "Science Translational Medicine" nachzulesen ist.

Das Virus verschwindet schneller 

Bei den Tieren, die zwei Dosen mit dem Impfstoff erhalten hatten, konnten die Wissenschaftler schon zwei Tage nach einem Kontakt mit echten Viren kein Viruserbgut mehr in den unteren Atemwegen nachweisen. In den oberen Atemwegen war das Virus spätestens nach vier Tagen völlig verschwunden. 

Anzumerken gilt es allerdings, dass die Versuchstiere bisher nur mit dem Wildtyp des Virus konfrontiert wurden. Die Untersuchungen mit neuen Varianten hätten nur in Neutralisation-Assays durchgeführt werden können, da diese davor noch nicht bekannt waren, erklären die Wissenschaftler.  

Bei Neutralisationstests zeigte sich bei den geimpften Tieren eine sehr hohe neutralisierende Aktivität. Das Serum von zweifach mit 50 Mikrogramm Impfstoff geimpften Tieren sei zehnmal effektiver gewesen als das Serum genesener Menschen nach einer Covid-19-Infektion. Zudem zeigte sich eine neutralisierende Wirkung auch gegen die Alpha-, Beta-, Gamma- und Deltavariante und sogar gegen das SARS-1-Virus, das sich von seinem Nachfolger SARS-2 deutlich unterscheidet. Die Wissenschaftler merken allerdings an, dass die Werte der Genesenen nicht standardisiert worden sei. So könne es sein, dass diese stark variieren. 

Die Daten der Phase-I-Studie mit menschlichen Probanden liegen vor und sollen in den nächsten Wochen begutachtet und veröffentlicht werden. Der Impfstoff müsse noch außerhalb des Labors und bei einer weit größeren Zahl von Menschen evaluiert werden, die bereits mit einem anderen Vakzin geimpft wurden oder von einer Infektion mit dem Coronavirus genesen sind. Studien der Phase II und III sind noch ausständig.