Die Aufregung war groß, als die US-amerikanische Arzneimittelbehörde am Montag ein neues Medikament zur Alzheimerbehandlung zugelassen hat. Das Präparat der Firma Biogen ist Hoffnungsträger für zahllose Alzheimer-Patienten weltweit. Dies zeigte sich auch an der Börse: Die Aktie von Biogen legte am Montag an der Wall Street einen Kurssprung von 38 Prozent hin.

Dabei handelt es sich um die erste Zulassung einer neuen Alzheimer-Therapie seit dem Jahr 2003. „Es ist die erste erkrankung-modifizierende Therapie, die eine Zulassung erhalten hat“, erklärt Reinhold Schmidt, Vorstand der Universitätsklinik Graz für Neurologie. Im Unterschied dazu bekämpfen jene Therapien, die bislang auf dem Markt sind, lediglich die Symptome. Die Folgen einer Alzheimer-Erkrankung sind Veränderungen im Gehirn: In und zwischen den Nervenzellen lagert sich Eiweiß ab. Dadurch sterben Gehirnzellen, die Weiterleitung der Signale zwischen den Nervenzellen funktioniert nicht mehr, die Gedächtnisleistung wird somit beeinflusst. In Österreich sind etwa 110.000 Menschen an Alzheimer erkrankt.

Die Wirkung ist umstritten

Das neue Präparat mit dem Wirkstoff Aducanumab zielt darauf ab, Beta-Amyloid – also eine der beiden oben genannten Eiweißablagerungen – aus den Gehirnen von Patienten in einem frühen Stadium der Krankheit zu beseitigen. „Dieses Präparat greift in den Krankheitsprozess ein“, sagt Schmidt. „Das Fortschreiten von Alzheimer wird so verlangsamt.“ Eine Heilung von Alzheimer könne aber auch dieses Präparat nicht erzielen.

Wie gut Aducanumab wirkt, ist allerdings umstritten: 2019 waren zwei klinische Studien zur Erprobung des Wirkstoffs wegen fehlender Aussicht auf Erfolg abgebrochen worden. Beide Studien wurden zu einem späteren Zeitpunkt wiederaufgenommen, und auch diese Ergebnisse sind nicht eindeutig. Diese beiden Studien wiesen dasselbe Design auf, mehr als 3000 Probandinnen waren eingeschlossen. Die Datenlage zeigte sehr konsistent, dass die Eiweißablagerungen aus dem Gehirn abtransportiert wurden. Die klinischen Erkenntnisse waren hingegen weniger eindeutig, eine der beiden Studien bewertete den Effekt als eindeutig belegt, die zweite sah keine signifikanten Ergebnisse bzw. sah diese nur in der Gruppe jener Probanden, die eine sehr hohe Dosis des Wirkstoffs verabreicht bekommen hatten.

Zulassung in der EU unklar

Auch Nebenwirkungen wurden beobachtet. Etwa regionale Hirnschwellungen oder auch kleinere Blutungen im Gehirn. „Man beobachtete aber auch, dass diese Beschwerden mit dem Absetzen der Therapie wieder verschwanden“, so Schmidt. Dennoch, Patienten, die diese Therapie erhalten, müssen künftig sehr engmaschig überwacht werden. Verabreicht wird der Wirkstoff einmal monatlich über eine Infusion.

Wann mit einer Zulassung in der EU zu rechnen ist, kann aktuell nicht vorhergesagt werden. Sollte es zu einer solchen kommen, werden wohl nur Patienten in einem frühen Erkrankungsstadium für diese Therapie infrage kommen. Denn „schwere und mittelschwere Verläufe waren in die Studie nicht eingeschlossen“, sagt Schmidt.