Krankschreibung über das Telefon, Rezept via Onlinesystem und ärztlicher Rat durch den Videochat: All diese Dinge fallen in den Bereich der Telemedizin – also in die Behandlung von Patienten durch Zuhilfenahme elektronischer Mittel. Gerade durch die aktuelle Krise bekamen telemedizinische Methoden einen wahren Schub. Das bestätigt auch der Referent für Telemedizin der Ärztekammer, Dietmar Bayer: „Das war die Stunde der Telemedizin. Entwicklungen, die ansonsten noch Jahre gedauert hätten, waren in wenigen Monaten möglich.“
So seien neue Software-Lösungen für die Online-Beratung am Markt erschienen. Außerdem haben viele Ärzte auch selbst ausgetestet, was telemedizinisch möglich sei. Auch Patienten stellt sich seither die Frage: Muss ich wirklich für jeden ärztlichen Rat in die Praxis?

„Das kommt ganz darauf an, um welches medizinische Anliegen es sich handelt“, sagt der Experte. Während ein Chirurg eine Untersuchung nur in physischer Anwesenheit seines Patienten machen kann, können zum Beispiel Bewegungsanleitungen sehr gut aus der Ferne vermittelt werden.

Klare Vorteile

„In vielen Situationen bringt eine telemedizinische Vorgehensweise große Vorteile mit sich“, sagt Bayer. So müssen beispielsweise Patienten mit hohem Fieber nicht im Wartezimmer sitzen. Das erspare nicht nur dem Patienten beschwerliche Minuten, sondern schütze auch andere Anwesende. „Deshalb bedauert die Ärztekammer auch sehr, dass die elektronische Krankschreibung eventuell wieder abgeschafft wird“, sagt Bayer.

Weniger Aufwand

Ein weiterer Vorteil: Arzt und Patient müssen sich für die Beratung nicht zur selben Zeit am selben Ort befinden. Auch Neurologe Christian Enzinger unterstreicht dieses Argument: „Für einen planmäßigen Kontrolltermin mit einem Patienten, dem es gerade sehr gut geht, sollte der Patient nicht mehrere Stunden Anreise in Kauf nehmen müssen. Es ist wichtig, stets Aufwand und Nutzen gegeneinander aufzuwiegen.“Trotzdem bringt die Telemedizin auch Stolpersteine mit sich: „Eine der größten Problemstellen ist, dass Telemedizin nicht barrierefrei ist“, sagt Bayer. Abgesehen von der Tatsache, dass entsprechende technische Geräte auf beiden Seiten vorhanden sein müssen, spielen auch Vorbelastungen eine große Rolle. So gestaltet sich die Beratung und Behandlung aus der Ferne besonders bei älteren Menschen schwierig: „Wenn jemand nicht gut sieht oder hört, kann man so kaum behandeln“, sagt der Telemedizinexperte. Auch kann die Diagnose über die Entfernung viel mehr Zeit in Anspruch nehmen: Der direkte Blick auf den Patienten, die körperliche Wahrnehmung, fehlt.

Dazu komme laut Bayer die große Frage nach dem Datenschutz: „Wir müssen Wege finden, um sicherzustellen, dass auf keiner Seite Dritte mithören können. Das Arzt-Patienten-Gespräch muss vertraulich bleiben.“

Telemedizin wird weiter Ausgebaut

Um Telemedizin in Österreich weiter auszubauen, wird vonseiten der Ärztekammer gerade an all diesen Problemstellen gearbeitet. Ein erster Schritt wird eine Initiative für Breitbandinternet sein. So soll sichergestellt werden, dass der Kontakt zum Arzt reibungslos möglich ist: „Ärzte brauchen Leitungen, die störungsfreie Beratungen ermöglichen“, sagt Bayer. Auch werde gerade erhoben, in welchen Bereichen die Entwicklung spezieller Apps für Ärzte und Patienten sinnvoll sei.

Auch Neurologe Enzinger hält neue Entwicklungen in der Telemedizin für notwendig. Er weist aber darauf hin, dass in vielen Fällen, „der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient unumgänglich und wichtig“ sei.