Es ist ein Comeback, auf das wohl niemand gewartet hat: Die Zahl der Fälle von Syphilis stieg in Europa in den Jahren von 2007 bis 2017 um 70 Prozent. Das zeigt ein Bericht des Europäischen Zentrums für Krankheitskontrolle (ECDC) - der ebenfalls belegt: Zum ersten Mal seit den 2000er-Jahren gibt es mehr bestätigte Syphilis-Fälle in Europa als Fälle von HIV.

1. Was hat der Anstieg von Syphilis mit HIV zu tun?

Laut Andrew Amato-Gauci, Leiter des ECDC-Programms, sei ein Faktor für das Wiederaufkommen von Syphilis, dass die Angst vor HIV schwinde - und damit auch die Vorsicht beim Sex. Tatsächlich war Syphilis nämlich in den 1980er-Jahren durch die Safer-Sex-Kampagnen rund um HIV zurückgedrängt worden. Heute hat vor allem eine Gruppe von Menschen ein sehr hohes Risiko, sich mit Syphilis anzustecken: Männer zwischen 25 und 34 Jahren, die in Städten leben und Sex mit Männern haben.

2. Ist Syphilis tatsächlich eine Nebenwirkung der positiven Entwicklung rund um HIV?

Dank der modernen Therapie sind Menschen, die HIV-positiv sind und ihre Medikamente richtig einnehmen, nicht mehr ansteckend - das wurde in Studien eindeutig gezeigt. Und es gibt heute auch Möglichkeiten, sich medikamentös vor einer HIV-Ansteckung zu schützen - ist deshalb die Kondommoral im Fallen? „Ja, diesen Zusammenhang gibt es“, sagt auch Bernhard Haas, Infektionsspezialist der Kages und der Med Uni Graz. Auch er beobachtet den Anstieg der Fälle hierzulande - zeigt aber auf, dass die Zahl der Syphilis-Fälle bereits vor den Durchbrüchen in der HIV-Therapie am Steigen war. „Die Geschichte hat uns außerdem gezeigt, dass die Syphilis in Wellen auftritt.“ 

3. Tinder & Co.: Spielt auch verändertes Sexualverhalten eine Rolle?

„Durch digitale Datingplattformen ist es sicher einfacher geworden, Sexualpartner zu finden“, sagt Haas. Ein Wochenendausflug nach Berlin - und schon im Bus vom Flughafen in die Stadt ist es möglich, sich via Smartphone ein Treffen für den Abend auszumachen. Findet der Geschlechtsverkehr dann auch noch unter dem Einfluss synthetischer Drogen statt - Chem-Sex genannt -, sinken Hemmschwelle und Sicherheitsgedanke noch weiter. „Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Syphilis viel leichter übertragbar ist als zum Beispiel HIV“, sagt Haas. So sei es schon beim Vorspiel und beim Oralverkehr möglich, sich mit Syphilis anzustecken - ein Aspekt, der vielen Menschen nicht bewusst sei.

4. An welchen Symptomen erkennt man die Syphilis?

Auf typische Symptome der Syphilis zu warten, könne schwierig sein: Die Krankheit wird auch Chamäleon der Medizin genannt, da sie so viele Erscheinungsformen habe. Klassisch sind kleine, nicht schmerzhafte Geschwüre, die am Penis, aber auch im Mund oder im Analbereich auftreten können. Auch ein Ausschlag an verschiedenen Stellen des Körpers kann ein Hinweis sein. „Es gibt jene, die nach riskantem Sexualverhalten einen Test machen lassen, auch ohne Symptome“, sagt Haas.

5. Welche Therapie kommt bei Syphilis zum Einsatz?

In der Therapie kommt das Antibiotikum Penicillin zum Einsatz - und zwar als Injektion, üblicherweise in die Pobacke. Durch eine frühe Therapie wird verhindert, dass sich gefährliche Spätstadien der Syphilis entwickeln. „Ob auch die Spätstadien der Syphilis zunehmen, werden wir erst in 15 Jahren sehen“, sagt Haas.