E-Zigaretten werden gerne damit beworben, „sauberes Rauchen“ möglich zu machen – gibt es so etwas wie sauberen Rauch überhaupt?

Bernd Lamprecht: Sauberes Rauchen gibt es nicht, denn immer wenn wir von Rauch sprechen, geht es um die Produkte der unvollständigen Verbrennung. Das ist prinzipiell schädlich. Mit sauberem oder gesundem Rauchen ist das Dampfen gemeint, dabei ist es tatsächlich so, dass die E-Zigarette jene Schadstoffe nicht enthält, die im Rauch enthalten sind – daher wirken beim Dampfen weniger Schadstoffe auf die Lunge ein. Die E-Zigarette ist damit weniger schädlich als die herkömmliche Zigarette – aber: Das bedeutet nicht, dass die E-Zigarette ungefährlich oder gar harmlos ist!

Ist denn überhaupt bekannt, welche Stoffe beim Verdampfen entstehen und eingeatmet werden?

Lamprecht: Wir kennen heute einige Stoffe, noch nicht alle. Wir nehmen an, dass in diesen Aerosolen auch Metalle enthalten sind, die zu Funktionsstörungen in der Lunge führen können: Sie wirken negativ auf jene Zellen, die unsere Bronchien auskleiden. Diese Inhaltsstoffe verursachen außerdem oxidativen Stress – die Folge davon können Entzündungen im Körper sein. Damit gibt es das Potenzial, dass diese Aerosole Schäden an den Atemwegen verursachen – wir haben aber noch keine Langzeitbeobachtungen dazu.

Bernd Lamprecht, Lungenfacharzt
Bernd Lamprecht, Lungenfacharzt © kk

Ist die E-Zigarette ein geeignetes Mittel, um mit dem Rauchen aufzuhören?

Lamprecht: Die meisten Raucher wollen aufhören, um wieder unabhängig zu werden, sie wollen nicht länger süchtig sein. Das kann die E-Zigarette nicht erfüllen! Hier wird eine Abhängigkeit gegen eine andere getauscht, die Nikotinsucht geht in die Verlängerung. Eine andere Tatsache, die uns Lungenfachärzte besorgt: Sehr viele Benutzer von E-Zigaretten leben in Wirklichkeit einen dualen Gebrauch. Das heißt: In manchen Situationen nutzen sie die E-Zigarette, in anderen greifen sie wieder zur normalen Zigarette. Wir gehen davon aus, dass 60 bis 80 Prozent der Nutzer von E-Zigaretten auch normale Zigaretten rauchen. Der Hintergrund ist, dass es bei der Gewohnheit bleibt, etwas in der Hand zu halten und zum Mund zu führen. Das ist auch der Unterschied zwischen E-Zigarette und anderen Nikotinersatzprodukten, wie Nikotinkaugummis. Die Gewohnheit bleibt und es ist nur ein schmaler Grat zwischen Dampfen und herkömmlichem Rauchen.

Eine Untersuchung aus England gibt Hinweise darauf, dass E-Zigaretten dazu führen könnten, dass Rauchen gerade bei Jugendlichen „renormalisiert“ wird. Sehen Sie diese Entwicklung auch?

Lamprecht: Ja, was uns Sorgen macht: Die Vorbildwirkung durch die E-Zigarette könnte sehr ungünstig für Jugendliche sein. Gerade solche Produkte sprechen junge Menschen an, da die E-Zigarette viel moderner und zeitgemäßer wirkt. Wir wissen aus Studien, dass das Risiko, später mit dem Rauchen zu beginnen, höher ist, wenn man in jungen Jahren mit so einer Art Einstiegsdroge begonnen hat.

E-Zigaretten sind also Einstiegsdrogen?

Lamprecht: Ja, man kann sie so nennen: Sie enthalten Nikotin, das ist eine psychoaktive Substanz, die abhängig macht. Wenn mit der E-Zigarette begonnen wird, Nikotin zuzuführen, ist es in vielen Fällen unausweichlich, dass später auch echte Zigaretten geraucht werden.
Gilt das auch für Verdampfer, die kein Nikotin enthalten?
Nikotinfreie Liquids, die nach Aromen wie Apfel oder Vanille schmecken, sind zwar weniger gefährlich, da der Suchtfaktor Nikotin fehlt – ganz unproblematisch dürften diese Produkte aber auch nicht sein, da die Aromastoffe nie für die Inhalation getestet wurden. Wir wissen gar nicht, wie Menschen langfristig darauf reagieren. Das Problem des Einstiegs in die Gewohnheit ist auch bei nikotinfreien Produkten ein Thema – auch hier ist es nur ein kleiner Schritt von den Inhalationen mit Apfelgeschmack zu echten Zigaretten.

Wie ist das bei der klassischen Shisha, der Wasserpfeife?

Lamprecht: Beim Shisha-Rauchen kommt es regelmäßig zu Kohlenmonoxid-Vergiftungen: Durch die niedrigeren Temperaturen beim langsamen Verschwelen sind die Rauchinhaltsstoffe sogar noch konzentrierter und daher auch die Vergiftungen. Junge Menschen werden immer wieder aus Shisha-Lokalen ins Spital gebracht, weil sie das Bewusstsein verloren haben. Das Rauchvolumen ist auch viel größer und entspricht mehreren, in kurzer Zeit gerauchten Zigaretten. Das Wasser in der Shisha hat auch keinen reinigenden Effekt, sondern kühlt den Rauch nur, der dadurch noch tiefer inhaliert wird und noch mehr Abschnitte der Lunge erreicht.

Abschließend: Sind E-Zigaretten nun Fluch oder Segen?

Lamprecht: Wir können die E-Zigarette jedenfalls nicht als sichere Variante für die Rauchentwöhnung empfehlen. E-Zigaretten sind wohl das kleinere Übel, aber das Ziel sollte immer sein: Rauchfreiheit und Freiheit von Abhängigkeit.