Katrin war 13 Jahre alt, als bei einer Schularztuntersuchung festgestellt wurde: Mit ihrer Wirbelsäule stimmt etwas nicht. Nach der Untersuchung in der Klinik war klar: Katrin hat Skoliose, ihre Wirbelsäule wächst nicht so, wie sie sollte. Skoliose wird übersetzt mit Wirbelsäulenkrümmung - tatsächlich handelt es sich um ein dreidimensionales Geschehen: Die Wirbelsäule krümmt sich nicht nur, sondern verdreht sich auch. Bei dieser idiopathischen Form ist die Ursache unbekannt.

Zunächst versuchten die Ärzte, Katrin auf dem klassischen, konservativen Weg zu behandeln: Sie bekam Physiotherapie und ein Korsett verordnet. Mit diesem speziell angepassten „Außenskelett“ versucht man, das Wachstum der Wirbelsäule auf den geraden Weg zu bringen - dafür trug Katrin das Korsett an 15 Stunden des Tages, machte täglich ihre Übungen. „80 bis 90 Prozent der Betroffenen können wir auf diesem Weg erfolgreich behandeln“, sagt Vinay Saraph von der Kinderorthopädie der LKH-Uniklinik Graz.

„Wir können die Wirbelsäule nicht bügeln“, sagt Physiotherapeutin Margit Steinberger - das Ziel der Übungen sei es, dass die Krümmung sich nicht weiter verschlechtert. Gemessen wird das mit dem Cobb-Winkel: Steigt dieser über 20 Grad, bekommen Patientinnen - es sind viel mehr Mädchen betroffen - ein Korsett angepasst. Gleichzeitig werde versucht, mit Muskeltraining korrigierend einzugreifen.

Physiotherapie
Physiotherapie © (c) Foto Fechter/LKH Graz

Folgen der Skoliose

Drei Jahre hielt Katrin durch, trainierte, trug das Korsett. Als es jedoch an der Zeit war, das Korsett abzulegen, zeigte sich schnell: Die Verkrümmung wurde wieder schlimmer. „Dann war klar: Ohne Operation wird es nicht gehen“, erinnert sich Katrins Vater Gerhard. Ab einem Cobb-Winkel von etwa 45 Grad denken Ärzte über eine Operation nach, ab einem Winkel von 60 Grad schränkt die Verkrümmung die Funktion von Herz und Lunge ein.

Die krumme Wirbelsäule ist nicht nur ein kosmetisches Problem: Im Alter von 30, 40 Jahren leiden die Patienten unter Abnützungen und Schmerzen, immer mehr Wirbel sind von der Skoliose betroffen.

Neue Methode, keine Versteifung

Als sich zeigte, dass die Skoliose voranschreitet, hatten sich Katrin und ihre Familie bereits für die bis dato einzige Operationsmethode entschieden: eine Versteifung der Wirbelsäule. „Der OP-Termin stand schon fest“, sagt Katrin.

Was es bedeutet, mit einer versteiften Wirbelsäule zu leben, erklärt Physiotherapeutin Steinberger: „Patienten müssen Bewegungsabläufe neu lernen.“ Man müsse den ganzen Oberkörper bewegen, um sich umzudrehen. Um sich zu bücken, muss man in die Knie gehen. „Unsere Wirbelsäule ist auch nicht dafür gebaut, dass man einen Teil blockiert“, sagt Saraph - in den anschließenden Wirbelkörpern könne es nach der Versteifung zu Abnützungen kommen.

Neue OP-Methode: Katrins Wirbelsäule nach der Operation
Neue OP-Methode: Katrins Wirbelsäule nach der Operation © LKH Graz

Die erste Patientin

Wenige Monate vor Katrins geplantem Eingriff überraschte Saraph sie mit Neuigkeiten: Es gebe eine neue Operationsmethode, die für Katrin geeignet sei - sie wäre die erste Patientin in Österreich, die so behandelt werde. Anstatt die Wirbelsäule zu versteifen, werden Schrauben in die Wirbelkörper eingebracht und mit einem Kunststoffseil verbunden.

Der Effekt: Durch die Spannung richtet sich die Wirbelsäule auf, die Beweglichkeit bleibt aber erhalten. Ein weiterer Vorteil: Es ist kein großer Schnitt am Rücken mehr nötig, dadurch werde weniger Gewebe geschädigt.

Katrin hat schon nach kurzer Bedenkzeit beschlossen: Sie will die neue Methode. „Heute bin ich total glücklich, dass ich mich so entschieden habe und meine Wirbelsäule nicht versteift ist.“ Sie habe schon wenige Tage nach der Operation Stiegen steigen können. „Ich habe mich gleich nach der OP gerade gefühlt“, beschreibt die Schülerin - heute, acht Monate nach dem Eingriff, habe sie keine Einschränkungen und sei das Korsett los.

„Und ich bin drei Zentimeter größer“, freut sich die 17-Jährige. „Diese Methode eignet sich aber nur für ausgewählte Patienten“, unterstreicht Orthopäde Saraph - so dürfe z. B. das Wachstum noch nicht abgeschlossen sein.

Josef Grohs, Beirat der Fachgesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie, gibt zu bedenken: „Die Idee, das Wachstum zu nutzen, um die Verformung zu korrigieren, ist hervorragend, birgt aber mögliche Probleme.“ So müsse das Wachstum vorab richtig berechnet werden, und: Das Material, das einem jungen Mädchen eingesetzt wird, müsse den Rest seines Lebens halten. „Wir wissen nicht, in welcher Frequenz es zu Materialschäden kommt.“ Da die Methode erst seit 2010 angewandt werde, fehlen die Langzeiterfahrungen.