"Dreh dich doch um“, zischt es aus dem Kopfhörer. „Merkst du denn nicht, wie dich alle anstarren?“ Pausenlos dringen Stimmen ans Ohr, einmal flüsternd, dann bedrohlich, sie überlagern sich, widersprechen sich. „Das willst du kaufen?“, sagt die eine Stimme. „Kauf das!“, befiehlt die andere. „Wie du heute wieder aussiehst“, klingt ein Vorwurf aus den Kopfhörern, auf den hämisches Lachen folgt. Gleichzeitig den Einkaufszettel zu lesen, die Produkte in den Einkaufswagen zu legen und dem Impuls zu widerstehen, den Aufforderungen der Stimmen zu folgen - eine echte Überlastung für das System.

Für Menschen, die an Schizophrenie leiden, ist diese Ausnahmesituation aber Alltag: Sie nehmen die Welt um sich herum verzerrt wahr, haben Halluzinationen und hören Stimmen, die gar nicht existieren. „Wir wollen Menschen vor Augen führen, wie es Betroffenen von psychischen Erkrankungen wie der Schizophrenie geht“, erklärt Katharina Donaczi von Pro Mente Steiermark, warum sie Menschen dazu einladen, in den Schuhen psychisch Kranker zu gehen. Pro Mente hat zwei solcher Simulationen selbst entwickelt, beide sind auf der Grazer Frühjahrsmesseerlebbar.

Am Schizophrenie-Regal
Am Schizophrenie-Regal © Juergen Fuchs

Wie fühlt sich das Leben mit einer Depression an? Auch das kann am eigenen Körper erlebt werden - denn schon liegt eine 15 Kilo schwere Weste auf den Schultern. Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Schwere: Das sind Charakteristika einer Depression.

Im dunklen Tunnel der Depression
Im dunklen Tunnel der Depression © Juergen Fuchs

„Psychische Krankheiten sind noch immer mit einem Stigma behaftet, es gibt viele Vorurteile und viel Unverständnis, auch weil die Krankheiten nicht sichtbar sind“, erklärt Donaczi. Dabei hat jeder Vierte Kontakt zu Menschen mit psychischen Erkrankungen oder ist selbst betroffen. Dass der Satz „Jetzt reiß dich halt zusammen“, den Depressive oft zu hören bekommen, nicht hilfreich ist, wenn jeder Schritt anstrengend ist, wenn sich das Leben wie ein dunkler Tunnel anfühlt und das innere Grübeln und Zweifeln einfach nicht schweigt, bekommt man hier eindrücklich vor Augen geführt.

Selbst für Expertin Donaczi war das eigene Erleben ein Augenöffner: „Ich habe selbst einen Patienten mit Schizophrenie betreut, der mir immer gesagt hat: ,Die Stimmen, sie halten mich ab.' Nach der Erfahrung hier habe ich gewusst, wovon er spricht.“

Schon nach wenigen Minuten ist es eine Erleichterung, wenn man die Kopfhörer wieder abnehmen kann, die schwere Bleiweste ablegen, den dunklen Tunnel verlassen kann. Die Krankheiten einfach wieder abzugeben, ist ein Privileg, das Betroffenen allerdings nicht vergönnt ist.