Herr Doktor Worseg, momentan operieren Sie als Schönheitschirurg öffentlichkeitswirksam im Privatfernsehen – gleichzeitig schreiben Sie ein Buch, in dem Sie mit der eigenen Branche hart ins Gericht gehen. Wie passt das zusammen?
ARTUR WORSEG: Das passt zusammen, weil ich eben so viel operiere. Dadurch sind mir gewisse Trends bewusster geworden. Mein Buch richtet sich ja nicht grundsätzlich gegen die Schönheitschirurgie, aber dagegen, dass viele Menschen unter der Prämisse „schön ist gleich glücklich, schön ist gleich erfolgreich“ Operationen machen lassen und falsche Erwartungen haben.

Welche Erwartungen sind das?

Wenn Patienten von mir wollen, dass ich sie durch eine Operation glücklich mache, ist das für mich eine Stopptafel. Wir unterscheiden zwei Gruppen von Menschen, die so einen Eingriff machen lassen. Einerseits jene, die sich aus eigenem Antrieb operieren lassen, weil sie etwas an ihrem Körper verbessern wollen. Und es gibt die Gruppe der Menschen, die von externen Gründen motiviert sind – sie wollen auf diesem Weg die Beziehung retten oder einen besseren Job bekommen. Je mehr dieser äußeren Einflüsse mitspielen, desto problematischer.

Artur Worseg, plastischer Chirurg
Artur Worseg, plastischer Chirurg © Beck
Das Buch
Das Buch ©

Wie sollte ein plastischer Chirurg mit solchen Patienten umgehen?

Gespräche und vielleicht eine Psychotherapie könnten in diesen Fällen sehr viel mehr helfen. Bei vielen entstehen Probleme mit dem eigenen Körper dann, wenn sie sich in Krisen befinden: Nach einer Trennung kann sich die Unzufriedenheit mit sich selbst verstärken – wenn Betroffene in so einer Phase jemanden hätten, mit dem sie reden könnten, würden viel weniger Menschen bei uns landen.

Wie gewissenhaft reagieren Sie und Ihre Kollegen in solchen Fällen? Schließlich geht es auch ums Geschäft.

Natürlich können wir nicht alle wegschicken, dann gibt es die Branche nicht mehr. Aber wenn wir merken, dass der Patient eine Erwartungshaltung hat, die weit über den zu operierenden Körperteil hinausgeht, sollte man nachhaken. Der Rest ist eine Frage des Gewissens. Am Ende des Tages ist aber der Kunde selbst gefragt: Er muss sich überlegen, warum er kommt.

In welchen problematischen Situationen im Leben finden Menschen den Weg zu Ihnen?

Bei den Problempatienten stehen Beziehungsprobleme an erster Stelle. Entweder sie finden keinen Partner, haben eine Trennung hinter sich oder der Partner ist sexuell nicht mehr an ihnen interessiert. Das wird auf die Körperlichkeit zurückgeführt. Der zweite Aspekt ist die Karriere. Jung und schön ist gleich erfolgreich, egal ob man in die Politik schaut oder sonst wo hin: Es dominieren junge, schöne Menschen. Das suggeriert: Nur wenn ich jung und frisch bin, kann ich beruflich weiterkommen. Das ist vor allem ein Männerthema.

Aber ist es nicht gerade Ihre Branche, die diesen Jugendkult fördert?

Ja, mit Sicherheit und das werfen wir uns auch vor. Ich mache mir diesen Vorwurf, auch, wenn ich Sendungen im Fernsehen mache – vordergründig um Aufklärung zu machen, aber in Wirklichkeit ist das ja Werbung. Im Fernsehen sieht man nur zufriedene Menschen, die nach einer Rundumerneuerung in die Kamera lachen.

Sie sprechen im Buch das Thema Selfies an: Welche Verantwortung sehen Sie bei sozialen Medien für den Schönheitskult?

Das ist extrem – es gibt so viele Blogger und Influencer, die ein Publikum ansprechen, das vielleicht 12, 13 Jahre alt ist. Dadurch beginnt die intensive Beschäftigung mit sich und seinem Äußeren immer früher. Der Fokus auf Äußerlichkeiten, ohne an anderen Dingen an sich zu arbeiten, ist in meinen Augen der Zeitgeist, das Selfie ist das Symptom.

Welche Fragen sollte man sich selbst stellen, bevor man zum Schönheitschirurgen geht?

Wesentlich ist: Was erwarte ich mir? Wenn man sich erwartet, dadurch seine Beziehung zu retten, sollte man sich den Schritt besser zehn Mal überlegen. Will man nur den einen körperlichen Aspekt, der einen schon immer gestört hat, verbessern, dann ist das in Ordnung. Je realistischer ein Mensch in eine Operation geht, desto zufriedener wird er danach sein.