Es ist ein Prozess, der sich rund um bestimmte Nährstoffe schon öfter abgespielt hat: Es werden einzelne Effekte beobachtet, diese werden medial gehypt, ein neues „Wundermittel“ scheint gefunden. Erst langsam schließt die Forschung auf und liefert Antworten in Form von qualitativ hochwertigen Studien.

So geschehen auch beim Vitamin D, das kein Vitamin ist: Vitamin D ist ein Hormon, das in unserem Körper selbst gebildet wird. Die zentrale Rolle dabei spielt das Sonnenlicht: Trifft es auf die Haut, wird Vitamin D im Körper produziert - über die Nahrung (viel Vitamin D steckt in Fisch) können wir nur etwa 20 Prozent des Bedarfs decken.

Die Rolle, die das Hormon in unserem Körper spielt, trat am augenscheinlichsten bei Kindern zutage, deren Knochen aufgrund eines Vitamin-D-Mangels weich wurden und sich verformten - die Rachitis ist eine Erkrankung, die im Extremfall sogar tödlich enden kann, da auch die Muskeln betroffen sind und der Herzmuskel zu schwach werden kann.

Zum Allheilmittel stilisiert

Seither ist bekannt, dass Vitamin D für die Gesundheit von Knochen und Muskeln zentral ist - doch in jüngster Zeit wurde Vitamin D zu einem Allheilmittel stilisiert, das als „Sonnenhormon“ die Stimmung beeinflusse, das Herz pflege oder vor Krebs schützen könne. Selbst ernannte Wunderheiler verkaufen Vitamin D in extrem hohen Dosen und in Form kurartiger Behandlungen.

Im Gegenzug sorgte die erste große, placebokontrollierte Vitamin-D-Studie in den USA für Aufsehen: „Vitamin D und Fischölkapseln schützen nicht vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ war die Kernaussage der Studie und der Titel einer Geschichte darüber in der „New York Times“. Dazu wurden 26.000 gesunde Menschen in Gruppen eingeteilt und bekamen über fünf Jahre hinweg Vitamin D, Fischöl, eine Kombination aus beidem oder ein Placebo. Die Gabe von Vitamin D konnte dabei weder die Häufigkeit von Krebs noch von Herzinfarkten und Schlaganfällen senken. Ist der Mythos Vitamin D damit entzaubert?

Nur bei Mangel relevant

Karin Amrein und Stefan Pilz forschen an der Med Uni Graz zu Vitamin D und haben einen großen Kritikpunkt an dieser Studie: „Es wurde Menschen Vitamin D verabreicht, die zum Großteil gar keinen Mangel hatten“, sagt Pilz. Das sei, als würde man ein Blutdruckmedikament an Patienten testen, deren Blutdruck ohnehin in Ordnung ist. Was die Studie aber jedenfalls zeige: „Vitamin D ist kein Wundermittel, das bei allen gegen alles hilft“, sagt Karin Amrein - sondern Vitamin D wird dann relevant, wenn ein Mangel vorliegt.

Welche Effekte kann Vitamin D nun aber haben? „Gesichert ist, dass die Einnahme von Vitamin D Atemwegsinfekte verhindern kann, wenn ein Mangel vorliegt“, sagt Amrein. Ein Vitamin-D-Mangel könne das Immunsystem schwächen. Daher läuft an der Med Uni Graz eine Studie dazu, was die Gabe von Vitamin D bei Patienten auf der Intensivstation bewirken könne. Auch der Einfluss auf Knochen und Muskeln sei erwiesen - daher spiele Vitamin D auch eine große Rolle in der Therapie von Osteoporose.

Nun ist es aber so, dass es in Österreich in den Wintermonaten - ungefähr von Oktober bis März - gar nicht möglich ist, seinen Vitamin-D-Bedarf auf natürlichem Weg zu decken: „Die Sonneneinstrahlung ist zu schwach“, sagt Pilz - und über die Nahrung könne nur ein geringer Teil aufgenommen werden. Auch die „Vorräte“ aus dem Sommer retten uns nicht über den Winter: „Die Vitamin-D-Speicher haben eine Halbwertszeit von nur zwei bis drei Wochen“, sagt Pilz.

Um ausreichend mit Vitamin D versorgt zu sein, sollte man einen Wert von 20 Nanogramm pro Milliliter haben. Das erreicht man, wenn man pro Tag 800 bis 1000 Einheiten einnimmt. „Relevant ist das auch für Frauen, die schwanger werden wollen“, sagt Pilz. Extrem hohe Dosen jedoch, wie sie von manchen Wunderheilern empfohlen werden, seien „völlig unsinnig und können zu Nierenproblemen führen“, sagt die Endokrinologin Amrein.

Fazit: Die Einnahme von Vitamin D kann die Gesundheit nur verbessern, wenn ein Mangel vorliegt. „Vitamin D ist nur ein Baustein für unsere Gesundheit und kein Allheilmittel“, sagt Pilz.