Er gaukelt

Und schaukelt,

Er trappelt Und zappelt

Auf dem Stuhle hin und her.

Der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann war es, der im Jahr 1845 in seinem Buch "Struwwelpeter" erstmals den Zappelphilipp versinnbildlichte, 1902 dann beschrieb ein englischer Kinderarzt wissenschaftlich jenes Störungsbild, das heute ADHS heißt - Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung.

Krankheitsbild oder soziales Phänomen? Zwischen diesen Polen pendelt die Diskussion um steigende Diagnosezahlen und den Einsatz von Medikamenten wie dem Prototyp Ritalin. "ADHS ist eine Erkrankung, kein konstruiertes Problem", sagt Wolfgang Kaschnitz von der psychosomatischen Ambulanz der Uni-Kinderklinik Graz. Das Problem liege vielmehr darin, diese Erkrankung von anderen Störungsbildern zu unterscheiden. Dazu brauche es eine zeitaufwendige Diagnostik, wofür in vielen Kassenpraxen die Zeit fehle.

Nicht eine Ursache

Es gibt drei Symptomgruppen der ADHS:

  • die Aufmerksamkeits-,
  • die Hyperaktivitäts- und die
  • Impulskontrollstörung.

Kinder mit ADHS fällt es schwer, sich zu konzentrieren, da sie Wichtiges nicht von Unwichtigem unterscheiden können. Warum das so ist, ist noch nicht ganz klar: "Die eine Ursache gibt es nicht", sagt Kaschnitz. Oft spielen die Gene eine Rolle, man wisse auch, dass es Störungen im Neurotransmitterstoffwechsel von Dopamin und Noradrenalin gibt.

"Die Therapie der ersten Wahl ist immer die Psychotherapie", sagt Kaschnitz. Kinder mit ADHS brauchen fixe Strukturen, so werden zum Beispiel Tagespläne erarbeitet, an denen sich die Kinder orientieren können. "Das Elterntraining ist ebenfalls ganz wichtig", sagt Kaschnitz. Erst wenn es dadurch keine Verbesserung gebe, solle man mit Medikamenten therapieren - Mittel der Wahl sind dabei sogenannte Stimulanzien.

Suchtmittel als Medikament?

In amerikanischen Schulklassen nehmen bis zu 20 Prozent der Kinder Stimulanzien, zu denen Ritalin zählt: Solche Zahlen, das Faktum, dass diese Stoffe zu den Suchtmitteln zählen und Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit und vermindertes Wachstum aufweisen, lassen Kritik am inflationären Einsatz von "Ruhigstellpillen" laut werden.

In Österreich bekommen zwei Prozent der ADHS-Kinder Medikamente - Experte Kaschnitz sieht darin zwar keine Überverschreibung, ortet aber ein Problem. "Medikamente werden häufiger verschrieben als Verhaltenstherapien, weil es einfach billiger ist." Die Medikamentenkosten trägt die Kasse, bei Psychotherapien falle ein nicht unerheblicher Selbstanteil für die Eltern an. Außerdem gebe es viel zu wenige Psychotherapeuten, die auf ADHS spezialisiert sind.

Für Erwachsene mit ADHS - ein Drittel aller Betroffenen leidet auch im Erwachsenenalter an den Symptomen - sei die Betreuungssituation noch schlechter. So landen oft auch Erwachsene in Kaschnitz' Ambulanz auf der Kinderklinik. Die Symptome bei Erwachsenen sind ähnlich: Sie sind sehr impulsiv, haben Probleme, sich zu organisieren, und sind sehr vergesslich.

In der ADHS-Therapie gilt jedenfalls: Nur ein Medikament einzuwerfen, sei definitiv der falsche Weg: "Zuerst muss man die richtigen Strukturen schaffen", sagt Experte Kaschnitz. Nur so könne einem Zappelphilipp geholfen werden.