Die Praxis des Umschulens kennt man aus Erzählungen der Elterngeneration: „Zum Schreiben benutzt du die schöne Hand“, soll es in den ersten Klassen geheißen haben.

Auch wenn solche gezielten Umschulungen der Vergangenheit angehören, kann es heute noch immer passieren, dass linkshändige Kinder umgeschult werden – im Kleinkindalter und ganz unbewusst. „Die Umschulung ist noch immer ein Problem, das viele Kinder betrifft“, sagt Andrea Hayek-Schwarz. Sie ist Obfrau des Vereins „LinkeHand“ und Linkshänder-Beraterin.

Es passiere noch immer, dass Kinder bereits im Kleinkindalter umgeschult werden: „Eltern geben ihren Kindern den Löffel oder den ersten Malstift ohne böse Absicht in die rechte Hand, weil rechts die Norm ist“, sagt Andrea Hayek-Schwarz. „Dazu kommt, dass Kinder sich an die Mehrheit anpassen wollen.“

Fehlende Zahlen

Und diese Mehrheit sind Rechtshänder, obwohl es keine genauen Zahlen über die tatsächliche Verteilung gibt. „Etwa 15 Prozent der Menschen nutzen die linke Hand, die tatsächliche Zahl der Linkshänder wird aber auf 20 bis 30 Prozent geschätzt“, sagt Hayek-Schwarz.

Wir kommen mit einer dominanten Gehirnhälfte zur Welt, damit entscheidet sich auch die Händigkeit: Ist die rechte Gehirnhälfte dominant, ist es auch die linke Hand. Denn: Rechte Gehirnhälfte steuert linke Körperhälfte. Wird ein Kind nun umgeschult, bedeutet das eine Mehrbelastung für das Gehirn. „Das Gehirn braucht 30 Prozent mehr Energie“, sagt Elisabeth Ertl, Linkshänder-Beraterin in der Steiermark. Auch das natürliche Körpergefühl werde unterdrückt, es komme zu einem „Wackelkontakt im Kopf“.

Wackelkontakt

Dieser Wackelkontakt könne zu Problemen führen: „Viele umgeschulte Linkshänder haben Schwierigkeiten mit Konzentration, Gedächtnis und Leistungsfähigkeit“, sagt Hayek-Schwarz. Es sei, als würde man Fahrradfahren und die Bremse sei immer leicht angezogen: Alles ist anstrengender. In der Schule haben umgeschulte Kinder Probleme beim Schreibenlernen, schreiben langsam, werden schnell müde und haben überhaupt wenig Lust aufs Schreiben. „Auch eine leichte Legasthenie kann eine Folge einer Umschulung sein“, sagt Ertl.

Damit eine unbewusste Umschulung im Kleinkindalter verhindert wird, sollten Eltern weder links noch rechts bevorzugen: Der Löffel sollte so lange mittig vor das Kind gelegt werden, bis klar ist, welche Hand dominant ist. Reicht man dem Kind ein Stofftier oder einen Stift, dann so, dass es mit beiden Händen zugreifen kann.

Andrea Hayek-Schwarz
Andrea Hayek-Schwarz © kk

"Viel entspannter"

„Die Mehrbelastung bleibt ein Leben lang“, sagt Hayek-Schwarz. Daher begleitet sie nicht nur Kinder bei der Rückschulung auf die linke Hand: Auch Erwachsene lassen ihre Händigkeit testen und kehren zur linken Hand zurück. Warum? Hayek-Schwarz wurde selbst als Kind umgeschult und ließ sich mit 40 rückschulen: „Seit ich die meisten Dinge mit links mache, ist alles viel entspannter.“