Als Hildegard von Bingen vor 900 Jahren ihre Gesundheitslehren verfasste, war Schröpfen bereits eine verbreitete Heilmethode. Auch das Zeichen der alten Zunft der Bader – ein Schröpfhorn, das aus Kuhhörner gefertigt wurde – zeigt, dass Schröpfen in unseren Breiten eine lange Tradition hat. Doch nicht nur hier: Auch in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) ist das Schröpfen eine zentrale Therapieform.

„War es früher ein allgemein übliches Verfahren, ist es heute in den Bereich der Alternativmedizin gerückt worden“, sagt Petra Zizenbacher, Allgemeinmedizinerin und Naturheilärztin, die das Schröpfen bei ihren Patienten „täglich“ praktiziert, wie sie sagt. Und zwar bei den unterschiedlichsten Beschwerdebildern.

Typische Schröpfmale auf den Schultern von Michael Phelps
Typische Schröpfmale auf den Schultern von Michael Phelps © AP

„Zwischen Skelett und Muskeln verläuft das Versorgungssystem des Körpers, mit Venen, Arterien, Nerven und Lymphgefäßen“, sagt Zizenbacher. Durch Fehlhaltungen gerate dieses System unter Druck, die Folge seien Verspannungen, die wiederum zu Beschwerden wie dem Spannungskopfschmerz oder Rückenschmerzen führen können.

„Diese Verspannungen passieren tief im Körper, mit einer Massage erreicht man sie nicht“, sagt Zizenbacher. Durch den Unterdruck, der in den sogenannten Schröpfköpfen - so heißen die Werkzeuge beim Schröpfen - entsteht, werde die Entspannung auch in der Tiefe erreicht. Oder anders gesagt: „Das ist als ob man mit der Vakuumpumpe den verstopften Abfluss befreit“, sagt Zizenbacher.

Naturmedizinerin Petra Zizenbacher
Naturmedizinerin Petra Zizenbacher © KK

Bessere Durchblutung

Der zentrale Prozess beim Schröpfen: ein Vakuum erzeugen. Dadurch wird das Gewebe in die kugelförmigen Schröpfköpfe eingesaugt. Dieses Vakuum entsteht entweder auf althergebrachte Weise, in dem die Luft im Schröpfkopf erhitzt wird. Bei modernen Systemen werde das Vakuum durch Gummiköpfe, die man zusammendrückt oder Vakuumpumpen erzeugt. Ob für eine Behandlung ein oder 50 Schröpfköpfe eingesetzt werden, sei ganz von den Beschwerden abhängig, sagt Zizenbacher. „Gerade bei Sportlern kann es durch die extreme Belastung zu Muskelverspannungen kommen“, sagt Zizenbacher. Durchs Schröpfen werden diese nicht nur entspannt, sondern auch die Durchblutung wird verbessert.

Die blauen Flecken, die durch das Einsaugen entstehen können, können laut Zizenbacher bis zu einer Woche bleiben – seien aber ein gutes Zeichen. „Je dunkler der Fleck, umso notwendiger war die Behandlung“, sagt sie. Wie bei jeder Behandlung kann es beim Schröpfen aber auch zu echten Nebenwirkungen kommen: Durch zu starkes Schröpfen können Gefäße oder Muskelfasern reißen. „Daher ist es nichts für die Laienanwendung“, sagt Zizenbacher. Doch: Es gibt kein anerkanntes Zertifikat fürs Schröpfen, an dem man ausgebildete Schröpfer erkennen könnte – meist werden die Kenntnisse im Rahmen einer TCM-Ausbildung vermittelt.

Auch die Studienlage ist dünn. In einer Vergleichsstudie aus dem Jahr 2012 mit 61 Patienten mit chronischen Nackenschmerzen schnitt Schröpfen gleich gut ab wie die Methode zur progressiven Muskelentspannung. In einer anderen Studie wurde nicht klar, ob die Erfolge tatsächlich körperlicher Natur waren – oder allein dem Placebo-Effekt geschuldet.

Das Urteil der Ärztin Zizenbacher: „Meine Patienten lieben es“.