"Irgendetwas stimmt nicht mit mir.“

Dieser Gedanke steht oft am Beginn. Es folgen: Verdrängung der Symptome, beschämte Versuche, die eigenen Defizite zu verstecken, bis zur erschreckenden und oft späten Gewissheit: Diagnose Demenz. Momentan sind es etwa 130.000 Österreicher, die an Demenz leiden – die häufigste Form ist der Morbus Alzheimer. Aufgrund der immer älter werdenden Bevölkerung wird diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf mehr als 260.000 Betroffene ansteigen, europaweit werde die Zahl der Demenzpatienten bis 2050 um 87 Prozent steigen.

Mangelnde Unterstützung

Bis dahin ist noch viel zu tun, zeigt doch eine aktuelle Umfrage der Volkshilfe, dass die Unterstützung für pflegende Angehörige mangelhaft ist: „Angehörige von Demenzkranken fühlen sich oft allein gelassen und überlastet“, sagt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe. Sind es doch die Familien, die die Hauptlast tragen: Zwei Drittel der Betroffenen werden zu Hause betreut.

„Alzheimer betrifft nicht nur einen, sondern die ganze Familie“, sagt Edith Span von der MAS Alzheimerhilfe (www.alzheimer-hilfe.at). Um mit dieser Belastung umgehen zu können, braucht es Schulungen und Auszeiten.

Diese Punkte sind im Umgang mit Betroffenen besonders wichtig:

Informationen. Der erste Schritt müsse sein, Informationen über die Krankheit zu bekommen: Welche Stadien gibt es und was wird dabei passieren? „Wenn man weiß, was kommt, kann man sich darauf vorbereiten“, sagt Span. Und besser verstehen: Aggressivität kann eine Folge daraus sein, dass sich Betroffene in ihrer Umwelt nicht mehr zurechtfinden – weiß man das, kann man anders damit umgehen.

Akzeptanz. Man muss die neue Situation akzeptieren. „Das Schlechteste ist, Betroffene immer wieder mit ihren Defiziten zu konfrontieren“, sagt Span. „Kontrollfragen“ wie „Was hat es zum Mittagessen gegeben?“, zerstören das Selbstwertgefühl der Betroffenen und führen zu Aggressivität oder Rückzug.

Fragebogen bei Demenzverdacht
Fragebogen bei Demenzverdacht © Volkshilfe

Fördern. Stattdessen sollte man sich auf die Fähigkeiten konzentrieren, die noch vorhanden sind – und diese auch ermöglichen. „Betroffenen alles wegzunehmen ist ganz falsch“, sagt Span. Funktioniert das Anziehen oder Wäsche aufhängen noch eigenständig, dann sollte man das Betroffene auch tun lassen – mit Unterstützung, wenn nötig. Solche Dinge werden auch in speziellen Trainings für Betroffene geübt.

Struktur. Wenn die Orientierung in Zeit und Raum durch die Krankheit Stück für Stück verloren geht, sind Strukturen und Routinen umso wichtiger. Dazu gehören eine klare Tagesstruktur mit den immer gleichen Schlaf- und Essenszeiten im gewohnten Umfeld mit vertrauten Gegenständen. Auch die Kommunikation verändert sich: „Kann man im frühen Stadium normal mit Betroffenen sprechen, verlagert sich die Kommunikation später oft auf eine körperliche Ebene“, sagt Span. Dann stehen Berührungen oder Gesten im Mittelpunkt. Um zu wissen, wann was nötig ist, sei eine Schulung so wichtig.

Hilfe für Helfer. „Wenn man Angehörige, die ihren Partner Tag und Nacht betreuen, allein lässt, werden sie selbst krank“, sagt Span. Es braucht regelmäßige Auszeiten, professionelle Hilfe und ein Umfeld, das hilft und unterstützt. „Die Krankheit Demenz muss enttabuisiert werden“, fordert Span. Denn wenn sich das Umfeld aus Berührungsängsten zurückzieht, vereinsamt nicht nur der Betroffene, sondern auch die Angehörigen. „Jede Hilfe ist eine Entlastung“, sagt Span.