Dass Jazz eine ganz besondere Wirkung hat, ist Musikliebhabern längst klar. Kaum eine Musikrichtung vermag Gefühle so stark zu transportieren. Einige Wissenschafter meinen, dass Jazz auch heilende Wirkung für Körper und Seele hat. Sie setzen diese Musik bei der Behandlung von psychischen Krankheiten ein. In der klassischen Musiktherapie spielt der Jazz bisher jedoch kaum eine Rolle. Das soll sich nun ändern.

Treffen. Auf der Musikmesse "jazzahead" in Bremen treffen sich am Samstag rund 100 Ärzte, Musiktherapeuten, Wissenschaftler und Künstler zu einem Symposium, das sich um die heilsame Wirkung des Jazz dreht. "Bisher fehlt in der Musiktherapie einfach die Wahrnehmung von Jazz", erläutert der Arzt und Psychotherapeut Wolfgang Baumgärtner, der die Veranstaltung organisiert. "Die Fachbücher behandeln Jazz höchstens am Rande, und auch die Studiengänge gehen fast gar nicht auf ihn ein."

Jazz als Hobby. Baumgärtner spielt in seiner Freizeit selbst in einer Jazzband - und seit einigen Jahren nutzt er sein Hobby auch beruflich. In seiner Praxis in Melle bei Osnabrück therapiert er mit Jazz-Musik mittlerweile mehrere Patienten, die an Psychosen leiden. Entweder spielt er ihnen Stücke auf seiner Gitarre vor (rezeptive Therapie) oder lässt sie selbst zu Instrumenten greifen (aktive Therapie).

Emotionen. "Musik ist den Emotionen des Menschen sehr nahe. Sie kann die gesamte Stimmungslage abzeichnen und Gefühle hervorholen, die sonst unterdrückt werden", erzählt Baumgärtner. Am besten klappt das in der aktiven Musiktherapie, wenn die Patienten einfach drauf los spielen, ihre Gefühle also spontan ausdrücken, ohne nachzudenken. Dafür eignet sich Jazz nach Ansicht von Baumgärtner besonders gut, da er viel Improvisation zulässt: "Er schenkt der Musik eine Freiheit wie sonst keine andere Musikart."

Die Macht der Musik nutzten Ärzte schon im 4. Jahrhundert vor Christus. In ihrer heutigen Form existiert die Musiktherapie allerdings erst seit den 1970er Jahren. Mittlerweile kommt sie bei vielfältigen Krankheiten zum Einsatz, wie Multiple Sklerose, Parkinson, Schlaganfall, Tinnitus, Demenz, Wachkoma, aber auch bei Entwicklungsstörungen und Schmerzen. Allerdings übernehmen die Krankenkassen nicht immer die Kosten.

Behandlung. Vor allem bei der Behandlung von Suchterkrankungen, Psychosen und Depressionen könnte Jazz eine Bereicherung darstellen, meint Hinderk Emrich, emeritierter Professor an der Medizinischen Hochschule in Hannover. Als einer der Hauptreferenten auf dem Symposium will er deshalb dazu beitragen, dass dieser in der klassischen Musiktherapie an Bedeutung gewinnt. "Dieses sich Fallenlassen in einen Rhythmus kennt man nur beim Jazz - und beim Rock."