"Mamaa!" Wenn der fünfjährige Lukas seine Eltern nachts mit einem lauten Schrei weckt, ist dem Kleinen womöglich wieder ein Missgeschick passiert. Er steht beschämt neben seinem Kinderbett und zeigt wortlos auf das feuchte Laken.

Rund 60.000 Bettnässer gibt es in Österreich. Das sind Kinder, die nach ihrem fünften Geburtstag an mindestens zwei Nächten pro Monat unabsichtlich Harn lassen. Noch immer ist das nächtliche Einnässen ein Tabuthema für viele betroffene Familien.

Die Diagnose. "Bettnässer leiden meistens an keinem psychosozialen Manko! Auch wenn das oft so dargestellt wird", erklärt Wilhelm Kaulfersch, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH Klagenfurt. Hüllen Sie sich also bitte nicht in Schweigen, sondern suchen Sie einen Kinderfacharzt auf! Durch gemeinsame Gespräche und eine klinische Untersuchung, die seltene Erkrankungen sowie Organschäden ausschließen soll, erstellt dieser eine lückenlose Krankengeschichte des Kindes. Zudem wird ein so genannter Miktionskalender angelegt, der Trinkverhalten und Toilettengänge des Kindes exakt festhält.

Die Ursache. "Bei 80 Prozent der kleinen Patienten ist das Bettnässen auf eine zu kleine Blase mit zu geringer Kapazität und/oder auf ein fehlendes Hormon zurückzuführen", sagt der Spezialist. Dieses antidiuretische Hormon (ADH) ist dafür zuständig, dass nachts nur halb so viel Harn gebildet wird wie tagsüber. Produziert der Körper zu wenig ADH, können Kinder den Harnfluss in der Nacht nicht kontrollieren, selbst wenn die Blase groß genug ist. Organische Abnormitäten, gestörte Nervenbahnen oder eine zu enge Harnröhre sowie psychologische Auslöser findet man nur vereinzelt. Stress und familiäre Belastungen können aber zu neuerlichem Einnässen unter Tags führen.

Die Alarmtherapie. Bei einer zu kleinen Blase hilft die Alarmtherapie. Ein Weckapparat - eine Klingelhose oder eine Klingelmatratze mit Feuchtigkeitssensoren - läutet, wenn ungewollt Harn abgegeben wird. Die Dauer dieser Therapie beträgt drei bis fünf Monate. "Die Erfolgsrate beträgt 70 bis 80 Prozent und die Rückfallsrate ist gering." Wichtig: die genaue Einschulung.

Die Hormontherapie. Sollte hingegen die ADH-Produktion gestört sein, wird dem Kind ein künstliches Hormon etwa drei Monate lang als Tablette verabreicht. Treten nach einer Woche keine Verbesserungen ein, wird die Dosis erhöht. Achtzugeben ist auf eventuelle Nebenwirkungen. "Wenn die Dosis stärker wirkt als angenommen, oder die Kinder vor dem Schlafengehen sehr viel trinken, besteht die Möglichkeit einer Wasservergiftung. Im Zuge derer kann es zur Hirnschwellung und Krampfanfällen kommen", warnt Kaulfersch. Werden die ärztlichen Ratschläge eingehalten, bestehe aber so gut wie kein Risiko.

Nur Mut! Schwer ist nur der erste Schritt. Belohnt werden Eltern und Kinder allemal: Mit durchgeschlafenen Nächten, leeren Waschmaschinen und Kindern, die sich wie Superhelden fühlen.