Unter dem Schlagwort "mehr Effizienz" wird das Gesundheitssystem reformiert. Drohen Leistungskürzungen? GERALD BACHINGER: Die Diskussion wird immer nur unter dem Gesichtspunkt der Ausgabenkürzung gesehen. Es geht nicht ums Einsparen. Es sollen die Steigerungen reduziert werden.

Einsparung ist das falsche Wort. BACHINGER: Es geht um Kostendämpfungen. Jeder weiß, dass allein durch die Überalterung der Bevölkerung die Kosten steigen werden. Eine Reform ist dringend notwendig, um das Qualitätsniveau zu halten. Wenn keine Reform stattfindet, führt es dazu, dass über kurz oder lang das öffentliche Gesundheitswesen an die Wand fährt. Wir wollen keine griechischen Verhältnisse.

Wo befürchten Sie griechische Verhältnisse? BACHINGER: In den Abstimmungsprozessen zwischen niedergelassenem und stationärem Bereich versandet viel Geld. Aus Patientensicht ist es legitim, dass man sagt: Mir ist es egal, wo ich eine Leistung bekomme. Ich will sie am Wohnort und mit Qualität haben. Der niedergelassene Bereich muss gestärkt werden.

Durch welche Maßnahmen? BACHINGER: Nehmen Sie die Öffnungszeiten: Es müssen auch am Wochenende, an Feiertagen oder am Abend Ordinationen geöffnet sein. Wenn ein Arzt einen Kassenvertrag mit 15 Stunden hat, geht das nur schwer. Der Patient wird so in die Ambulanzen gezwungen. Als Patient will ich nicht vier Stunden warten, um dann mit einem wildfremden Arzt in Kontakt zu treten, weil ich im niedergelassenen Bereich keine Struktur habe. 60 Prozent der Patienten, die im AKH die Ambulanz aufsuchen, brauchen nicht die Struktur eines Krankenhauses.

Warum sind die Ärzte so dagegen? BACHINGER: Man muss differenzieren zwischen Ärzten und Ärztekammer. Die Kammer verliert ihre seit 50 Jahren bestehende Machtposition. Von der Ärztekammer ist man abhängig als Arzt, weil sie Kassenstellen vergibt. Das geht jetzt über auf Landesgesundheitsplattform und Bundesgesundheitskommission.

Die Ärztekammer wird nicht mehr die Verträge aushandeln? BACHINGER: So ist es.

Da gehen die Ärzte wieder auf die Straße? BACHINGER: Wir brauchen auch ein Honorierungssystem der Ärzte, das von der Mengenoptimierung abgeht. Heute haben wir die Drei-Minuten-Medizin. Es ist legitim, dass ein Arzt auf ein gewisses Einkommen kommen will, da braucht er einen schnellen Patientendurchlauf. Das ist der falsche Ansatz. Wir brauchen finanzielle Anreize für Ärzte, die dazu führen, dass der Patient eben nicht rasch ins Krankenhaus überwiesen wird.

Müssen durch die Reform Spitäler geschlossen werden? BACHINGER: Dazu wird es nicht kommen. Eher werden Kompetenzzentren geschaffen sowie Spitäler in geriatrische Standorte umgewandelt werden.