Eine Frau schiebt ihren 2-Jährigen durch die Sicherheitskontrolle. Draußen kurven die Flugzeuge und Busse blinkend und brummend über das Rollfeld, Uniformierte patrouillieren mit Gewehren, Förderbänder rattern, Taschen werden von Maschinen verschluckt und wieder ausgespuckt, und auf dem Bildschirm kann man raten, was in den Taschen versteckt ist. Grandioses Schauspiel! Leider nicht für den Kleinen, der schon Check-in und Gepäckaufgabe verpasst hat, weil er ein Video schauen darf. Gleich kommt das Handy wieder aus dem Durchleuchter, gleich kann er weiterschauen. Sicher auch später, wenn das Flugzeug startet, abhebt und die langweilige Zeit erst richtig beginnt.

Es ist jetzt nicht so, dass der Bub unglücklich aussieht. Auch die Mutter macht einen sehr entspannten Eindruck. Fliegen war nie so entspannt wie jetzt. Kind anschnallen, Tablet raus, Disney rein, und a Ruah ist. Mein Gott, wir sind im 21. Jahrhundert! Alles ändert sich, die Technik, die Möglichkeiten, so ist das Leben! Sollen wir jetzt den Fortschritt aufhalten, nur weil ein paar hysterische Gehirnforscher Alarm schlagen? Wer Kinder hat, kennt das. Alle paar Wochen flattert eine Warnung rein, über die Schule, den Kindergarten, die Medien.

Die Kinder sitzen zu viel vor Bildschirmen, sagt die Gehirnforschung. Sie schlafen zu kurz, bewegen sich nicht genug und erleben zu wenig analog. Ihre kognitiven Fähigkeiten gehen zurück, sie erwerben soziale Defizite, werden übergewichtig und zuckerkrank. Sagt die Gehirnforschung. Die Gehirnforschung hat leicht reden! Die muss nur an Gehirnen forschen und nicht die dazugehörigen Kinder ohne digitale Hilfsmittel „domptieren“! Die muss weder im Flugzeug den Dreijährigen stundenlang bespaßen, noch daheim dem Pubertierenden abends das Handy entreißen!

Die Generation Z hat zu kämpfen

Handysüchtig, blad, blöd, asozial: Die Generation Z hat ganz schön mit ihrer Reputation zu kämpfen, und ihre Elterngeneration, die selber dauernd vor den Bildschirmen hängt, nicht minder. Wie süchtig wir alle sind, wissen wir spätestens, wenn wir für ein paar Stunden offline sind. Unruhe, Unwissen (Google!), Orientierungslosigkeit bei den Eltern, Hysterie, Verzweiflung, Depression bei den Jungen. Klassische Entzugserscheinungen. Und geht nicht jeder Entzug einmal vorbei?
Noch besser: gleich vorher verbieten! Handyverbot wurde an Frankreichs Schulen schon umgesetzt, in Deutschland wird es soeben heiß diskutiert, in Österreich ist es in vielen Schulen Realität. Cybermobbing ist in handyfreien Schulen leichter zu unterbinden, und Schummeln geht auch schlechter. Andererseits: Sollte digitale Nutzung nicht vielmehr in den Unterricht integriert werden?

Was, wenn wir vor lauter Angst die digitale Revolution verschnarchen?
Der Hirnforscher Manfred Spitzer fordert ein Handyverbot bis 18. Erstens sei man immer nur zwei Klicks von Kriminalität oder Gewaltpornografie entfernt; und außerdem verursachten Handys Schlafstörungen, Diabetes und andere Gesundheitsschäden. Man würde gesundheitsgefährdende Substanzen wie Nikotin, Alkohol und Drogen ja auch von den Jugendlichen fernhalten. Warum traue man ihnen plötzlich die Handhabung einer suchtgefährlichen Droge wie Handys zu? Totale Übertreibung, sagen seine Kritiker. Zwei Stunden am Tag werden oft für Kinder ab 10 empfohlen. Aber was, und wann? Und ist Arbeiten für die Schule schon Bildschirmzeit oder nicht? Wie kriegen wir Handy & Co raus aus der Generation der Digital Natives, die so fest mit ihren Bildschirmen verwachsen ist wie keine zuvor?

Was Einbindung von digitalen Medien in die Schule betrifft, scheiden sich die Geister gewaltig. Was Freizeit betrifft, ist die Expertise sich einiger: Ohne Nein geht nichts. Und Neinsagen ist elterliche Kernkompetenz. Nein gehörte zu den ersten Wörtern, die beide meiner Kinder verstehen und sprechen konnten. Bei meinem Großen hörte es sich an wie NAJ, beim Kleinen eher wie ein NENN. Süß, wie sie dabei mit dem Kopf schütteln, dachte ich damals, und war gleichzeitig ernüchtert. Ist das mit der positiven Verstärkung auch nur einer dieser Schmähs, mit dem uns die Erziehungsratgeber bei Laune halten?

Das "Nein" bleibt

Mittlerweile sind die Kinder nicht mehr klein und süß, und die Neins sind nicht weniger geworden. Eine der größten Überraschungen des Elternseins: Die Summe der Neins bleibt gleich! Nur ihre Natur ändert sich! Aus dem Nein zum zehnten Zuckerl wird ein Nein zum teuersten Filetsteak auf der Speisekarte. Aus dem Nein vor der roten Ampel wird ein Nein zum Motorrad mit 15. Aus dem Nein zum Hauptabendprogramm wird das Nein zum Handy im Schlafzimmer. Bis die Kinder erwachsen und die Neins aufgebraucht sind.

Es kostet einiges an Mut, die böse Neinsagerin zu sein. Die, die das WLAN abdreht. Die die Zugriffsberechtigungs-Apps installiert. Die, die bei der Pyjamaparty erbarmungslos alle Handys kassiert. Lassen Sie sich mal von zehn rotgeräderten Zombie-Augenpaaren entsetzt ansehen. Dieser blanke Hass! Nur weil man will, dass jetzt um 2 Uhr morgens geschlafen wird! Und nicht will, dass die 12-Jährigen sich jetzt endlich einen Gewaltporno als Betthupferl ansehen.

So wie alle Eltern ziehen auch wir eine individuelle Grenzlinie. Wenn wir im Restaurant ein zweites, vielleicht sogar drittes Glas Wein trinken, stellen wir unsere Kinder währenddessen mit dem Handy ruhig. Wir spielen auch nicht im Flugzeug stundenlang Schach mit unseren Kindern. Bei uns gibt es Handyverbot (inkl. Laptop und Tablet) in der Natur, im Auto, beim Essen und im Alltag nach 20.00 Uhr. Ist das streng genug? Zu streng? Was, wenn sich die Kinder in der verbotenen Zeit über die Relativitätstheorie austauschen würden? Behindern wir Genies? Oder doch nur „Fortnite“, Pornos und labernde Youtuber?

Vorwürfe kommen von Generationen, die nicht mit Datenkraken, Cybergrooming oder der ganz normalen Handysucht zu kämpfen hatten. Die die gute alte Zeit heraufbeschwören, die in vielerlei Hinsicht so alt und gar nicht gut war. Aber eines fordern die Besserwisser zu Recht: Es darf kein Privileg sein, analog aufzuwachsen, Langeweile und Regenerationszeiten zu haben. Wir müssen analoge Zeiten für unsere Kinder erstreiten, auch wenn das bedeutet, nicht der liebe, gute Freund, sondern die böse, blöde Spaßverderberin zu sein. Der nervige Neinsager ist eine Rolle, die andere Eltern gern elegant aussparen.

Vor allem, was digitale Nutzung in der Freizeit betrifft, würde ich mir solidarische, streitbarere Eltern wünschen. Die ihrem Kind am Berg das Handy wegnehmen. Die es ohne Handy auf die Party und in den Skikurs schicken. Die Apps installieren, damit mein Siebenjähriger im Haushalt seines Freundes keinen Gewaltporno zu sehen kriegt. Die, so wie wir, Gänsehaut bekommen, wenn sich an einem strahlenden Mainachmittag am Berg ein Haufen Zwölfjährige unter einer Jacke zusammenkauern, um den Bildschirm des einzigen Handys, das nicht konfisziert wurde, abzudunkeln. Nach und nach wurde die Gruppe größer, und die Jacke zu klein; glücklicherweise half ein Vater mit einer zweiten Jacke aus. Es war gemütlich und gespenstisch ruhig.

Wie auch jetzt, am Flughafen. Der kleine Bub von vorhin ist woanders, aber die drei Kinder, die mit mir im Flieger sein werden, sitzen alle startklar vor den Handys. Es wird ein entspannter Flug. Na Gott sei Dank.