"99 einfache Fragen" ist das dritte Buch der Fragen-Reihe. War Ihre Motivation, diese Bücher zu schreiben, eine persönliche – Sie haben ja auch drei Kinder?
RALPH CASPERS: Wir haben immer ein Spiel daraus gemacht. Klar habe ich auch meinen Kindern die Frage gestellt: "Na, wie war es heute im Kindergarten?" Aber ich habe auch schnell gemerkt, dass das nicht viel bringt. Man kann die Frage ja stellen, aber wenn man es jeden Tag tut, dann ist es sehr schnell für alle Beteiligten langweilig. Zu Beginn habe ich begonnen, all jene Fragen aufzuschreiben, mit denen wir uns beschäftigen, wenn uns langweilig ist. Und wenn man einmal beginnt, findet man solche Fragen überall. Manchmal hatte ich auch die Antwort, dann habe ich mir überlegt, welche Frage dazu passen könnte.

Ich als Elternteil habe hin und wieder das Gefühl, mit den Kindern etwas besseren Small Talk zu führen, ich würde vermuten, das geht auch anderen Eltern so. Was ist die Ursache dafür? Denn wir wollen uns ja alle mit unseren Kindern gut unterhalten und wissen, wie es ihnen wirklich geht, was sie beschäftigt.
Ja, das stimmt. Oft – und da spielt das Alter der Kinder eine Rolle – wollen die Kinder gar nicht sagen, wie es ihnen geht und wollen Dinge lieber mit ihren Freundinnen und Freunden ausmachen. Und wir Eltern setzen uns selbst unter Druck, in dem wir das Elternsein so gut wie möglich hinbekommen möchten. Aber es gehören auch andere Sachen zum Elternsein, ein voller Kühlschrank zum Beispiel. Es sind so viele Dinge, dass man manchmal gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Dann kommt man im Alltag in Situationen, in denen man sich denkt, eigentlich sollten wir uns unterhalten. Aber wenn das Kind nach Hause kommt, ist man gerade dabei, das Abendessen fertig zu kochen oder so. Die Folge ist, dass man die Unterhaltung nebenbei führt. Kinder merken aber, dass man nicht wirklich bei der Sache ist. Und dann kann so ein Gespräch nicht richtig funktionieren. Es ist schwierig, alles stehen und liegen zu lassen und sich in Ruhe zu unterhalten, aber es ist ein erster Schritt. Selbst wenn Sie alle Fragen aus den Büchern auswendig lernen und Ihren Kindern stellen, es aber trotzdem nur so nebenbei machen … dann sind die Fragen genauso viel wert wie ein "Na, wie war es in der Schule".

Es ist also eine Kombination aus Zeit bzw. aus nicht vorhandener Zeit und Muße, die man manchmal nicht hat, sich mit jemand anderem zu beschäftigen?
Ja, das ist wahrscheinlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Aber ich habe für uns bemerkt, dass wir uns am besten unterhalten, wenn wir im Stau stehen und nicht vorwärts und rückwärts können. Dann kann man ja gar nichts anderes machen, als sich zu unterhalten. Und meistens ist es dann sehr unterhaltsam.

Eine Frage in Ihrem Buch lautet: "Wie merkt man, dass man erwachsen ist?" Hat Erwachsensein vielleicht mit dem abhandengekommenen Verständnis für junge Menschen zu tun?
Ich denke, dass viele ältere Menschen das Problem haben, dass sie es einerseits ganz ok finden, erwachsen zu sein, weil sie selbst darüber entscheiden können, wofür sie ihr Geld ausgeben oder was sie essen, ihnen andererseits von anderen Menschen, Institutionen, der Gesellschaft klargemacht wird, je älter du bist, desto unwichtiger wirst du. Als älterer Mensch denkt man sich dann, eigentlich bin ich noch gar nicht erwachsen, ich bin noch ganz fit im Kopf und kann die Dinge tun, die auch meine Kinder tun. Und das ist ein Dilemma. Deshalb lautet der letzte Satz im Buch zu dieser Frage auch: Wenn du denkst, dass du noch lange nicht erwachsen bist, ist das auf jeden Fall ein Zeichen dafür, dass du erwachsen bist. Denn Kinder denken niemals darüber nach, ob sie erwachsen sind.

Gibt es eine Frage, die Sie Ihren Kindern nicht mehr stellen?
Da muss ich überlegen. Das Dumme ist ja, Fragen, die ich nicht mehr stelle, vergesse ich gleich wieder. Aber, ich stelle immer weniger Fragen nach Sachen, die erledigt werden müssen, weil die Kinder älter werden und selbst wissen müssen, was sie wann zu erledigen haben.

Sie haben einmal in einem Interview den Tipp gegeben, Fragen aus der Sicht des Kindes zu stellen, um andere, aussagekräftigere Antworten zu bekommen. Also eher fragen "Was hast du heute gelernt" oder "Was hast du heute gefragt", anstatt "Wie war es in der Schule".
Offene oder geschlossene Fragen, das ist hier Frage. Bzw. wie kann ich aus einer geschlossenen Frage, die nur Ein-Wort-Sätze als Antworten zulässt, etwas machen, dass den Befragten fordert, etwas anderes sagen zu müssen. Und je unterhaltsamer das ist, je mehr Spaß man dabei hat, desto leichter ist es, ins Gespräch zu kommen. Vor allem, wenn man nicht das Gefühl hat, ausgefragt zu werden. Das ist auch das Grundprinzip der drei Bücher, dass man eben das Gegenüber nicht ausfragt mit den ständig gleichen Fragen nach dem Motto "Wie geht es dir?". Das sind ätzende Fragen, ich hasse die auch. Es geht darum, über irgendetwas zu reden, das mit dem Befinden erst einmal gar nichts zu tun hat. Und dann aber, über die Antworten und die Gedanken, die man hat, merkt sehr rasch, wie es dem anderen geht. Oder der andere fängt automatisch an, über andere Sachen zu erzählen. Das Schöne ist, dass es sich entfernt von diesem Zwang, etwas über sich selbst preisgeben zu müssen, was man gar nicht preisgeben will.

"Ich glaube grundsätzlich, dass man von mir nicht viel lernen kann", sagt Caspers. Seine unzähligen Fans würden an dieser Stelle widersprechen
"Ich glaube grundsätzlich, dass man von mir nicht viel lernen kann", sagt Caspers. Seine unzähligen Fans würden an dieser Stelle widersprechen © imago images / Future Image (Christoph Hardt)

Sie haben im letzten Jahr auf einer Konferenz einen Vortrag unter dem Motto "Alles ist sinnlos" gehalten und darin auch betont, wie wichtig nutzloses Rumspinnen für Sie selbst ist. Wieso ist das so? Wenn ich das wüsste.

Was könnte man aus dieser Einsicht lernen?
Ich glaube grundsätzlich, dass man von mir nicht viel lernen kann. Für mich ist Nichtstun die Königsdisziplin. Es ist schwierig, etwas absolut Sinnbefreites zu machen, weil so ziemlich alles in unserem Leben einen Sinn und Zweck hat. Aus diesem Grund ist auch Kunst so toll, weil sie keine Aufgabe und keinen Zweck hat. Und deswegen macht das vielen Menschen so viel Spaß, weil Kunst im besten Fall völlig befreit von jedweden Zwängen ist. Und in meinem Fall bringt mich das Rumhängen und Nichtstun auf völlig neue, andere Gedanken. Das ist das Schöne.

Das Handy haben Sie dann wahrscheinlich auch nicht in der Hand beim Nichtstun?
Es kommt darauf an, welches Nichts ich tue.

Wie kommen Sie auf die Fragen aus Ihren Büchern?
Das ist unterschiedlich. Manchmal hab ich gute Ideen auf dem Klo oder in der Dusche, Körperhygiene ist ganz wichtig. Manchmal beim Spaziergang mit dem Hund, weil das ja auch so langweilig ist. Und dann fallen mir wieder Sachen ein, wenn ich so richtig Stress habe. Wenn im Studio alles im Chaos versinkt, fühle ich mich total wohl. Weil ich weiß, in dem Moment kann ich nichts falsch machen, ich kann die Sache nur in eine andere Richtung bewegen. Ich glaube aber, dass das auch eine Art von Haltung ist. Irgendwann hab ich gemerkt, dass, je mehr ich etwas unbedingt haben will und je kompromissloser ich bin, desto schlechter ist es fürs Gesamtergebnis. Und wenn ich sage, mir fallen gute Sachen ein, heißt das gleichzeitig auch, dass mir neunmal so viele schlechte Sachen einfallen.

Sie gestalten seit vielen Jahren Inhalte für Kinder und junge Menschen. Was haben Sie durch Ihre Arbeit über Gespräche mit jungen Menschen gelernt?
So viele Kinder haben wir gar nicht im Studio. Was ich aber merke, ist, dass ich die Sendungen so mache, dass auch ich Spaß dabei habe. Höchstens eine Sache habe ich gelernt, nämlich, dass Kinder merken, wenn man sich verstellt. Ich versuche nicht die Sprache von Kindern zu imitieren, ich versuche so zu sprechen, wie ich es eben tue und ich versuche nicht, irgendeinen bestimmten Geschmack zu treffen oder mich anzubiedern. 

Wie viele Fragen-Bücher wird es noch geben?
Keine Ahnung, ich mach’ jetzt erst einmal ein Bilderbuch.

Haben Sie auch mal keine Antwort?
Nein. Ich kann nicht nichts sagen.