Um fünfzehn Euro den Flug von Graz nach Kreta und wieder retour umweltfreundlich machen? Genau das versprechen verschiedenste Kompensationsanbieter.

Das Konzept ist simpel: Über einen der unzähligen Online-Anbieter gibt man an, von wo man wohin fliegt, wählt aus, in welcher Klasse man seinen Sitzplatz hat und ob es sich um einen Linien- oder Charterflug handelt. Den CO₂-Ausstoß und die Geldsumme, die diese Emissionen kompensieren wird, berechnet der Anbieter. So muss der Kunde nur noch auf das "Bezahlen"-Kästchen klicken und kann sich ohne schlechtes Gewissen in Bezug auf die Klimawirkung des Fluges in den Urlaub begeben. Oder so der Irrglaube.

Kochöfen installieren und Bäume pflanzen

Doch was passiert nun mit dem gespendeten Geld? Eine österreichische CO₂-Kompensationsstelle ist "Grad Wanderer", eine von der Universität für Bodenkultur Wien ins Leben gerufene Organisation. Mit den an sie gespendeten Geldern werden verschiedene internationale Nachhaltigkeitsprojekte unterstützt. Diese tragen zur zukünftigen Emission-Einsparung, wie durch die Installation von nachhaltigen Kochöfen, bei.

CO₂-Bindung durch Waldaufforstungsprojekte werden von der BOKU auch angeboten. Die bei vielen Kompensationsanbietern beliebten Projekte stehen immer wieder in der Kritik, vor allem im Hinblick auf die steigende Zahl von Waldbränden. Ein Baum kann pro Jahr etwa 21 Kilogramm CO₂ absorbieren, allerdings erst, wenn er ausgewachsen ist, was mehrere Jahre dauern kann. Doch selbst dann besteht noch immer das Risiko, dass das CO₂ durch Waldbrände wieder freigesetzt wird. Bereits bestehende Waldprojekte zu stoppen, sei jedoch keine Option. "Besonders bei Waldschutzprojekten sind langfristige Projektperioden von Bedeutung. Deshalb schauen wir auch weiterhin, dass auf diesen Arealen keine Rodungen stattfinden und der Waldschutz bestehen bleibt", meint Sarah Siemers, Projektmitarbeiterin der "Grad Wanderer".

Österreichische Projekte sind bis jetzt nicht im Repertoire der "Grad Wanderer", sollen aber in Zukunft hinzugefügt werden, da "ich glaube, dass mehr Menschen für Projekte in Österreich spenden würden. Da hätten Spenderinnen und Spender das Gefühl, dass man hier leichter kontrollieren kann, ob das Geld wirklich ankommt", so Siemers.

Andere Kompensationsstellen bieten auch österreichische Projekte an, in die Privatspenden fließen können. So unterstützt "Climate Austria" neben kenianischen und kongolesischen, auch nationale Projekte, wie Photovoltaikanlagen auf Kärntner Alpenhütten und Kleinwasserkraftwerke in der Steiermark.

Grüner Hoffnungsträger

"Climate Austria" ist nicht nur eine Kompensationsstelle, sondern auch ein Partner der Austrian Airlines. Die Lufthansa Group, zu der die AUA zählt, weiß aber, dass Kompensationen nicht das Wundermittel zur Bekämpfung des Klimawandels sind. Daher investiert sie auch in Sustainable Aviation Fuel (SAF). Deswegen hat die weltweit viertgrößte Airline eine Kooperation mit dem Anbieter "atmosfair", der neben Waldaufforstungsprojekten auch alternative Flugkraftstoffe erzeugt.

Zeigt den Ablauf, wie Sustainable Aviation Fuels mit dem Power-to-Liquid-Verfahren hergestellt werden.
Zeigt den Ablauf, wie Sustainable Aviation Fuels mit dem Power-to-Liquid-Verfahren hergestellt werden. © Lufthansa

Hergestellt werden diese Luftfahrttreibstoffe aus CO₂, das aus der Luft genommen wird, und aus Wasser und Strom aus erneuerbaren Quellen. Stark vereinfach gesagt, wird bei der Verbrennung im Flug also nur wieder jenes CO₂ freigesetzt, das zuvor aus der Atmosphäre genommen wurde.

Das Unterstützen der Forschung rund um SAFs ist für den Konsumenten, wie auch Kompensationen, nur einen Klick entfernt. Doch auch wenn man bei der Buchung ein Häkchen bei "Sustainable Aviation Fuels" setzt, heißt das noch lange nicht, dass das eigene Flugzeug mit einem solchen beladen wird. Denn dass diese nachhaltigen Treibstoffe bei Flügen der Lufthansa eingesetzt werden, ist zurzeit nur ein Pilotprojekt. Unterstützt wird mit den Spenden viel mehr die Forschung, denn zusammen mit der Lufthansa hat "atmosfair" Ende 2021 die weltweit erste Produktionsanlage zur Herstellung von synthetischem Treibstoff eröffnet.

Die Nachfrage nach nachhaltigem Kerosin ist jedoch sehr gering: 2019 bildeten SAFs nur 0,01 % der weltweiten Kerosinnachfrage. Das liegt vor allem an den hohen Kosten, die bei rund 3,5 Euro pro Kilogramm liegen, während normales Kerosin, trotz großer Preissteigung, nur bei 0,87 Euro liegt.

Trotzdem werden SAFs von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation als Teil der grünen Wende im Luftverkehr gesehen: Laut ihren Zahlen können Emissionen bis 2050 um 63 Prozent reduziert werden, wenn Fluggesellschaften auf Sustainable Aviation Fuels umsteigen. Jedoch schreiben sie bereits im darauffolgenden Absatz, dass es nicht möglich sei, allein durch den Einsatz von SAFs den gesamten Flugverkehr CO₂-neutral zu gestalten.

Europäische Träume

Doch auch die Europäische Union hängt sich hinter Sustainable Aviation Fuels. Unter anderem mit SAFs soll eine 55-prozentige Reduzierung der Treibhausgase bis 2030 erreicht werden ("Fit for 55"). Im Impact Assessment der Kommission wird jedoch geschrieben, dass das derzeitige legislative Gerüst nicht ausreichend ist, um den Einsatz von SAFs im Flugsektor einzubürgern. Ebenso soll es noch Jahrzehnte dauern, bis SAFs tatsächlich im kommerziellen Flugbetrieb einsetzbar sind.

Um das ambitionierte Ziel trotzdem umsetzen zu können, wird auch auf die Förderung nachhaltiger Verkehrsmittel und den Ausbau des Schienennetzwerkes gesetzt. In Österreich wird beispielsweise der Brennerbasistunnel maßgeblich von der EU mitfinanziert.

Weiters wurde festgelegt, dass es mehr Schnell- und Nachtzugverbindungen geben soll, sodass man innerhalb von Europa so gut wie alle Millionenmetropolen über Nacht mit der Bahn erreichen kann. Doch dass ein Großteil der innereuropäischen Mobilität über die Schiene funktionieren wird, bleibt wohl in näherer Zukunft eine Utopie.

Flugscham als Lösung?

In Schweden wird diese Utopie jedoch schon zumindest teilweise gelebt: Etwa ein Viertel der Reisenden steigen nicht mehr in Flugzeuge und stattdessen in Züge ein. Schuld dafür ist die schwedische Bewegung des "flygskam", zu Deutsch Flugscham – also ein Gefühl des Unwohlseins, wenn man sich für eine Flugreise und somit für einen hohen CO₂-Ausstoß entscheidet.

Ob Flugscham in der breiten Bevölkerung je ankommen wird oder gar die richtige Lösung ist, ist unklar. Auch die Frage, ob Fliegen überhaupt nachhaltig sein kann, scheint nicht beantwortbar zu sein. Sustainable Aviation Fuels befinden sich erst in ihren Kinderschuhen und "Kompensationen allein sind nicht die Lösung", meint Siemers von den "Grad Wanderern". "Viel mehr muss es um das Vermeiden und Reduzieren von Emissionen gehen." Also vielleicht doch um ein bisschen Flugscham in jedem und jeder von uns.