Wer seinen Berufsalltag zwischen den Gipfeln anstatt im Bürosessel verbringt, hat nach Feierabend so einiges zu berichten – heuer ganz besonders. So auch Herbert Raffalt: Vor wenigen Wochen war der Bergführer mit einer Gruppe unterwegs, um das Dachsteinloch zu erkunden. Dabei handelt es sich um eine Höhle, zu der normalerweise der Zutritt nicht erlaubt ist. Nur rund fünf Touren im Jahr bieten die Möglichkeit, mit einem erfahrenen Guide in den Berg hineinzusteigen.
Umso verwunderter war Raffalt, als er in der Höhle ein Wimmern vernahm.

Den leisen Rufen folgend, fand er einen älteren Mann. Dieser hatte die Höhle mit einem Klettersteig verwechselt. Nach einiger Zeit gingen dem Mann die Kraft und das Licht – seine Handytaschenlampe – aus. „Er hatte unglaubliches Glück. Oft kommt dort monatelang kein Mensch vorbei. Außerdem wusste niemand, dass der Mann an diesem Tag am Dachstein unterwegs war“, sagt Raffalt.Erlebnisse wie diese sind heuer keine Seltenheit für den Bergführer. Wöchentlich trifft er auf Menschen, die schlecht ausgerüstet sind oder kurz vor dem Gewitter noch mit Kind und Kegel einen Klettersteig erklimmen wollen. „Dieses Jahr ist es besonders auffällig, dass viele Touristen unterwegs sind. Man merkt, dass Leute ihren gewohnten Strandurlaub durch eine Bergtour ersetzen wollen“, sagt Raffalt. Schon an den Bewegungen der Menschen könne man ausmachen, dass diese keine Bergerfahrung haben – und das, obwohl man sie in anspruchsvollem Gelände antrifft.

Sich selbst richtig einschätzen

Grundsätzlich befindet der Bergführer es für positiv, dass Menschen die „Schönheit der Berge“ genießen wollen. Allerdings sei es ein großes Problem, dass viele das Gefahrenpotenzial der Bergtouren nicht richtig einschätzen: „Der Berg als Sportplatz wird unterschätzt. Viele sehen ihn wie einen Abenteuerspielplatz, an dem nichts passieren kann“, sagt Raffalt. Das fange schon dabei an, dass die Dauer einer Tour völlig falsch eingeschätzt werde. Schon ein Wetterumbruch oder ein kleiner Unfall können die Länge der Tour verändern. Das habe zur Folge, dass immer wieder Berggehern unterwegs die Kraft ausgehe.

Selbstinszenierung sorgt für Gefahr

Dazu kommt, dass manche Bergneulinge nicht richtig ausgerüstet sind. Oft fehlen im Gepäck warme Bekleidung, ausreichend Wasser sowie Geländekarten. Im Hinblick auf die Orientierung empfiehlt Raffalt, immer eine Karte dabeizuhaben. Seiner Erfahrung nach verlassen Berggeher zu oft die richtige Route, weil ihrem Handy der Akku ausgeht und keine Alternative zur Hand ist. Auch von Abkürzungen rät Raffalt ab. Er empfiehlt, immer am Weg zu bleiben – vor allem dann, wenn man das umliegende Gelände nicht kennt.

Das Wetter ernst nehmen

Die Empfehlung des Experten lautet daher, genügend Zeit in die Planung und Vorbereitung zu investieren sowie sich sicherheitshalber mehrmals bei Geländekundigen über die aktuelle Situation zu informieren. Sollte man doch in eine Notlage geraten, empfiehlt Raffalt, mit dem Hilferuf nicht zu lange zu warten: „Wenn eine Situation aussichtslos ist, sollte man nicht versuchen, diese selbst zu drehen. Besser gleich einen Hilferuf absetzen, bevor es dunkel wird. Denn dann wird es für die Retter schwerer, die Betroffenen zu finden.“
Trotz dieser Erlebnisse überwiegen für den Bergführer aber die schönen Begegnungen am Berg: „Immer wieder trifft man auf Menschen, die begeistert berichten. Berggehen ist wunderbar, man muss es nur mit Bedacht machen.