Die Stiftung Warentest hat gerade 32 stille Mineralwässer aus Deutschland unter die Lupe genommen und kam zum vernichtenden Ergebnis, dass die Hälfte davon mit Keimen oder nennenswert kritischen Stoffen belastet ist. Für österreichisches Mineralwasser liegt eine Analyse des VKI aus dem Jahr 2017 vor – dabei war ein Drittel der stillen Wässer zu beanstanden. Wo liegt das grundsätzliche Problem?

BIRGIT SCHILLER: Prinzipiell ist bei stillem Mineralwasser die Gefahr relativ groß, dass Keime darin wachsen, weil die Kohlensäure fehlt. Kohlensäure hat einen konservierenden Effekt, der das Bakterienwachstum im Zaum hält. Allerdings kommt es auch darauf an, wie lange ein Mineralwasser schon im Regal steht. Es gibt ein Abfülldatum und ein Ablaufdatum. Darauf sollte man achten, weil Wasser auch schlecht werden kann. Eventuell ist die Flasche dann nicht mehr dicht und Bakterien können sich darin vermehren.

Was sich bei Tests regelmäßig zeigt, ist auch ein überraschend geringer Mineralstoffgehalt im sogenannten Mineralwasser. Das ist nur für Laien eine Überraschung?

BIRGIT SCHILLER: Ja, früher einmal musste das Mineralwasser einen Mindestmineralstoffgehalt haben, das ist aber lange vorbei. Der Name Mineralwasser erweckt aber noch immer den Anschein, dass da viele Mineralien drin sind.

Birgit Schiller leitet die Untersuchungen im Bereich Kosmetik und Chemie beim Verein für Konsumenteninformation, der seit 1994 immer wieder stilles Mineralwasser testet und sich generell dem Thema Trinkwasser widmet.
Birgit Schiller leitet die Untersuchungen im Bereich Kosmetik und Chemie beim Verein für Konsumenteninformation, der seit 1994 immer wieder stilles Mineralwasser testet und sich generell dem Thema Trinkwasser widmet. © VKI

In Wahrheit ist österreichisches Leitungswasser genauso mineralstoffreich?

BIRGIT SCHILLER: Unser Test von 2017 hat gezeigt, dass die meisten durchschnittlichen Mineralwässer nicht anders mineralisiert sind als durchschnittliches Leitungswasser.

Wie definiert sich nun Mineralwasser überhaupt?

BIRGIT SCHILLER: Das ist im Lebensmittelkodex im Kapitel zu abgefüllten Wässern geregelt: Es muss sich um eine definierte Quelle mit einer bestimmten Eigenschaft und charakteristischen Zusammensetzung handeln. Der Mineralstoffgehalt muss zwar nicht hoch sein, aber stabil über die Jahre. Das Wasser muss außerdem von Natur aus rein sein. Wenn es mit Kohlensäure aus dem Boden kommt, die beim Abfüllen ja entweicht, darf diese dem Wasser später teilweise oder ganz wieder zugesetzt werden.

Woran kann man sich beim Einkauf orientieren?

BIRGIT SCHILLER: Nur am Etikett hinten auf der Flasche, da müssen die charakteristischen Mineralstoffe aufgelistet sein, daneben steht auch, von wann das Analyseergebnis ist. Je älter dieses Datum ist, desto besser – das heißt nämlich nicht, dass das Wasser seit Jahren nicht mehr geprüft wurde, sondern nur, dass sich die Zusammensetzung seit damals nicht geändert hat. Die Quelle ist also gut geschützt.

Gibt es ein gesundheitliches Argument, zu Wasser bzw. Mineralwässern mit stärkerer Mineralisierung zu greifen?

BIRGIT SCHILLER: Nein, man müsste das Wasser dafür schon literweise trinken. Mineralstoffe sind im Wasser auch nicht so gut bioverfügbar wie bei der Aufnahme mit einem Lebensmittel. Wir haben durchgerechnet, dass man mit einer Scheibe Vollkornbrot meistens alles übertrifft, was in drei Liter Mineralwasser drin ist. Nehmen wir zum Beispiel Kalium: Mineralwässer mit einem höheren Mineralstoffgehalt bringen es bei Kalium auf 16 Milligramm pro Liter. Vogerlsalat bringt es zum Vergleich auf 460 Milligramm Kalium pro 100 Gramm Salat. Bei Magnesium liefern wiederum zwei Scheiben Vollkornbrot in etwa gleich viel wie ein Liter Mineralwasser.

Die konkrete Zusammensetzung der Mineralstoffe macht aber den Geschmack des Wassers aus. Und die Geschmäcker sind sehr unterschiedlich.

BIRGIT SCHILLER: Ja, schon kleine Unterschiede in der Mineralisierung machen große Geschmacksunterschiede aus. Deshalb haben die meisten Menschen, die Mineralwasser pur trinken, eine Lieblingsmarke, von der sie auch nie abweichen.

Manche schwören auf Mineralwasser aus dem Ausland.

BIRGIT SCHILLER: Das hat überhaupt keinen Sinn, aber die Flaschen wirken teilweise halt exotisch und sehr stylish. Im Endeffekt wäre es aber besser, in vernünftige Trinkflaschen für Leitungswasser zu investieren.

In den Supermarktregalen findet sich auch sogenanntes Babywasser, das auch für Säuglinge geeignet sein soll. Ist das mehr als Abzocke?

BIRGIT SCHILLER: Für Babywasser sind die Grenzwerte in Österreich noch etwas strenger geregelt als für Mineralwasser. Wenn man unterwegs ist und Nahrung für sein Baby zubereiten muss und nicht weiß, welches Trinkwasser man bekommt, kann es eine gute Idee sein, dieses Wasser zu verwenden. Unbedingt nötig ist dieses Wasser nicht.

In Deutschland ist Mineralwasser mit Bio-Siegel weit verbreitet. In Österreich bietet es immerhin die Firma Hofer an. Was halten Sie als Konsumentenschützerin davon?

BIRGIT SCHILLER: Aus Konsumentensicht ist das völlig unsinnig, weil „bio“ ein Zertifikat für die bestimmte Herstellung eines Lebensmittels ist, Mineralwasser wird aber nicht produziert, es ist schon da. In Österreich wirbt auch nur Hofer damit und hoffentlich nicht mehr lange – im österreichischen Lebensmittelkodex steht mittlerweile nämlich ausdrücklich, dass Mineralwasser nicht als „bio“ bezeichnet werden darf. Der deutsche Wassermarkt ist hier eine ganz eigene Geschichte, beim Wasser gibt es kaum Gemeinsamkeiten mit Österreich.