Warum schießen in ganz Österreich die Co-Working-Places aus dem Boden?
Andreas Reiter: Dieses Thema ist eine Entwicklung, die aus dem angloamerikanischen Raum kommt – über England und Berlin kam sie schließlich zu uns nach Österreich. Dieser Trend entstand ursprünglich aus dem urbanen Kontext.

(Einblicke in den Grazer Co-Workingspace "Managerie")
(Einblicke in den Klagenfurter Co-Workingspace "Leuchtturm")

Inwiefern?
Weil wir es hier vor allem mit jungen Digital Natives zu tun haben, die eine ganz andere Einstellung gegenüber Besitz haben. Junge Start-ups brauchen heute nicht mehr unbedingt ein Büro, sondern sie brauchen den Zugang. Den „access“ wie die Amerikaner sagen. Das ist ein Verhalten, das wir generell sehen. Diese Digital Natives kaufen sich zum Beispiel auch kein Auto mehr, sondern mieten sich eines oder nutzen Sharingplattformen. Sie gehen also sehr pragmatisch mit Ressourcen um. À la: Warum soll ich mir ein Büro mieten, wenn ich es vielleicht nur drei Stunden pro Tag benutze, weil ich den Rest der Zeit unterwegs bin? Wir hätten hier also einmal ein ganz pragmatisches Nutzerverhalten der Konsumenten.


Was ist Auslöser dieses Pragmatismus? Ist es die Arbeit an sich, die sich durch die Digitalisierung verändert hat?
Arbeit und Freizeit verschieben oder vermischen sich immer mehr. Wir haben in dieser Altersschicht nicht mehr den klassischen Nine-to-five-Job. Co-Working-Spaces sind für wissens- und internetbasierte junge Leute. Sie arbeiten einmal hier und einmal dort. Sie sitzen im Flieger, im ICE oder Railjet – ihr Büro ist eigentlich überall. Mit diesem Hintergrund, dass Arbeit in dieser digitalen Gesellschaft ortlos wird, kommt auch dieser Pragmatismus. Warum soll man ein Büro mit 300 Quadratmetern mieten, wenn man das nur sehr begrenzt nutzt?

Inwiefern kann der einzelne Unternehmer an diesem Co-Working-Space profitieren?
Der Gemeinschaftsaspekt ist in diesem Bereich besonders stark ausgeprägt. Diese Communityplätze sind mehr als nur ein Shared Space. In diesen Plätzen sitzen Menschen mit gleicher Philosophie. Arbeit und Freizeit vermischen sich hier also: Co-Working wird hier auch zu Co-Living. Im High-end-Segment, zum Beispiel im „Twentytwo“ in London, gibt es in diesen Spaces ein Fitnessstudio oder ein Climbing Window, also eine Glaswand, an der man wie auf einer Kletterwand raufklettern kann. Attraktionen und Facilities, die man sich als einzelner nicht leisten kann, gemeinsam aber schon. Das ist der pragmatische Zugang einer jungen digitalen Generation: teilen, um Zugang zu haben. Wie wir es zum Beispiel auch schon von Airbnb oder Uber kennen.

Neben dem Gemeinschaftsaspekt steigert sich hier auch das kreative Potenzial?
Mittlerweile schicken schon traditionelle Firmen wie Siemens oder VW ihre Mitarbeiter zum Beispiel für einen Tag pro Woche in diese Co-Working-Spaces, weil sie dort innovative Leute und ihre Denkweise kennenlernen. Da ergeben sich meistens auch gemeinsame Projekte. Viele Großkonzerne haben den Spieß schon umgedreht und eigene Co-Working-Spaces installiert, in denen dann auch Freelancer und Start-ups sitzen, damit eine Vermischung stattfindet. Großkonzerne haben verstanden, dass dort Potenzial für Innovation vorhanden ist.
Ist Co-Working eine neue Idee oder eine Renaissance des Miteinanders?
Was die Kommunikation betrifft, kennt man es bereits, hier kommt aber die Technologie verändernd hinzu. Sie ermöglicht ein ganz anderes Arbeitsmodell.