Die Ankündigung sorgte international für Aufsehen. Nach Weihnachten ist es Schülern der Woodchurch High School im englischen Birkenhead nicht mehr erlaubt, mit Winterjacken der (sehr) teuren Marken Moncler, Pyrenex und Canada Goose in die Schule zu kommen. Man wolle mit dem Verbot „poverty shaming“ verhindern, also das Gefühl, sich für Armut schämen zu müssen. Die Jacken würden einen Keil in die Schulgemeinschaft treiben. Mitschüler aus weniger finanzkräftigen Elternhäusern würden sich unter Druck gesetzt und stigmatisiert fühlen, argumentiert die Schuldirektorin.

Nicht in der Oberstufe

„Klamotten-Mobbing“, wie derartiges Verhalten in Deutschland genannt wird, sei in heimischen Schulen kein so drängendes Problem, meinen Schülervertreter und Schulpsychologen unisono. „Vor allem nicht in der Oberstufe“, präzisiert Julia Gruber, Landesschulsprecherin der berufsbildenden höheren Schulen (BHS) in Kärnten. In der Unterstufe hätte sie im Zusammenhang mit Kleidung oder anderen Statussymbolen zwar diskriminierende Tendenzen festgestellt, ältere Jugendliche hätten aber schon ein anderes Verständnis von Freundschaft. Es würden keine sozialen Barrieren wegen Besitzlosigkeit hochgezogen, so Gruber.
Ins gleiche Horn stößt Martin Kohlmayr, AHS-Landesschulsprecher in der Steiermark. Auch von einem Verbot nach englischem Vorbild hält er wenig: „Das wäre keine Lösung, das Verhalten verlagert sich dann eben, Smartphones, Taschen oder Mopeds würden zu Unterscheidungsmerkmalen.“ Außerdem hätte ein Verbot nichts mit einer adäquaten Vorbereitung auf das (Berufs-) Leben zu tun, wo es auch keine derartigen Einschränkungen gebe, sagt Kohlmayr.

Folgt man umgekehrt den Fürsprechern von Markenverboten, landet man schnell in der benachbarten Debatte, ob nicht Schuluniformen etwaigen Spannungen vorbeugen könnten. Die Argumentationskette ist bekannt: Durch eine verpflichtende optische Gleichschaltung sei auch eine Gleichstellung oder zumindest Einebnung des sozialen Gefälles, Chancengleichheit und bessere Integration ausländischer Schüler zu schaffen. Zudem könnte überbordendes Inszenierungsgehabe hintangehalten werden.

Wir-Gefühl stärken

„Schuluniformen entsprechen nicht unserer Kultur“, wendet Schulpsychologe Josef Zollneritsch ein. Landesschulsprecherin Gruber kann einer Schuluniform zwar auch positive Seiten abgewinnen – „Das Wir-Gefühl und die Identifikation mit der Schule wird gestärkt, schulfremde Personen könnten in Schulen sofort erkannt werden.“ Unter dieser Fahne ritt zuletzt der steirische FPÖ-Landtagsabgeordnete Marco Triller vor zwei Jahren aus. Er forderte zwar keine Uniformierung der Schüler, aber zumindest eine einheitliche Schulkleidung. Zu der von ihm geforderten landesweiten Befragung in Volks- und Neuen Mittelschulen kam es allerdings bis heute nicht.

Schülersprecherin Gruber will am Ende auch nicht auf eine freie Kleidungswahl verzichten. „Eine Kleidervorschrift würde die Individualität einschränken“, sagt sie. „Jeder soll anziehen, was er will, solange dadurch niemand verletzt oder behindert wird.“ Neben dem Ausleben der Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen ist aber der – vor allem in der Pubertät so bedeutende – Wunsch der Gruppenzugehörigkeit verhaltensprägend. Und der drückt sich neben der Sprache eben auch über Markenprodukte aus und macht die Schule zum Catwalk der Eitelkeiten.

Dieses Verhaltensbild wird durch das Ergebnis der Shell-Jugendstudie in Deutschland bestätigt: 77,5 Prozent der befragten Jugendlichen geben dort an, dass das Tragen von Markenkleidung ihrer Ansicht nach „in“ ist. Wie in vielen Erziehungsfragen ist das aber keine originäre Idee der Kinder oder Resultat eines Imitierens von Rolemodels auf diversen Social-Media-Kanälen, sondern vielfach Ergebnis eines Kopierens des Verhaltens ganz anderer Vorbilder: nämlich der eigenen Eltern.

Mehr Aufklärung

Die Schülervertreter wünschen sich daher wie auch Schulpsychologe Zollneritsch statt Verboten von Materiellem lieber mehr Aufklärung und kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der „materialistischen Hedonisten“, wie die Sozialforschung diese Gruppe nennt, in der ein ausgeprägter Markenkult vorherrscht. Dass es abseits aller Regeln, Routinen und Rituale eines Luxuskults auch nicht leicht ist, sein Grundrecht durchzusetzen, schlecht angezogen sein zu können, beweist ein Beispiel aus Tirol: An der Handelsakademie Innsbruck wurde vor fünf Jahren ein Jogginghosenverbot erlassen.

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