Doch heuer stehen die Zeichen gar nicht gut. Nach einem total eingefrorenen Frühlingsstart (die Autorin stapfte am 21. März durch zehn Zentimeter Pulverschnee und zählte Raureifkronen – in der Südsteiermark, wohlgemerkt!) hielt das zähe Ringen zwischen Winter und Lenz an, bevor wir über Nacht in den Frühsommer katapultiert wurden. Dieses Achterbahnabenteuer muss die Natur erst einmal wegstecken. Der Mensch auch. 

Selbst die Geduldigsten unter ihnen verloren da die Nerven. Allerorten vernahm man die Entrüstung über die galoppierende Pracht: Ein, höchstens zwei Tage Apfelblüte, und schon war das Füllhorn ausgeleert, lag nur noch ein zarter, weißer Blütenteppich dem Baum zu Füßen. Kirsche und Kriecherl er- und verblühten gar im Stundentakt. Ähnliches geschah mit den Birnen. Und frische Mailüfterln hatten bei knapp 30 Grad auch ausgedient.

So geht das wirklich nicht! Wie sollen wir da Lust und Liebe tanken und unsere Wonnen ausleben im Wonnemond? Wiewohl, mit „Wonne“ in unserem Verständnis hat der alte Monatsname eigentlich gar nichts zu tun. Karl der Große wollte damit seiner Bevölkerung den Weidemonat, in dem das Vieh wieder auf die Wiesen getrieben wurde, nachhaltig ins Gedächtnis rufen.

Ist wohl zutiefst menschlich, dass sich dieses Missverständnis schon zu Beginn der Neuzeit etabliert hat. Um es mit Heinrich Heine zu benennen: „Im wunderschönen Monat Mai, als alle Vögel sangen, da hab ich ihr gestanden, mein Sehnen und Verlangen.“

Der Mai, dieser „kategorische Imperativ der Freude“, verändert nicht nur die Natur, sondern auch unser Gemüt. Erstaunlich, dass er gar manchem eingefleischten Griesgram ein seltenes Lächeln auf die schmalen Lippen zaubert.

Kein Wunder, an seinen besten Tagen vermag der Mai mit einer prallen Symphonie des Glücks zu überraschen, wenn er seine Farbpalette vor uns ausbreitet, uns mit Grünvariationen in Freudentaumel versetzt, uns von Flieder- und Maiglöckchenduft umschmeicheln und als Draufgabe das Jubilieren und Tirilieren der Vogelschar zum gewaltigen Freiluftkonzert anschwellen lässt.

Herz, was willst du mehr? Hinein in die Sandalen und hinaus in die Natur, ob städtische Parklandschaft oder abgeschiedenes Paradies. „Die Kunst, auf einer leuchtend grünen Wiese zu liegen, in Gottes große blaue Augen zu sehen und ganz einfach glücklich zu sein, treffen bei uns nur Landstreicher und Poeten“, gab weiland Joseph Roth, der große Schriftsteller und Journalist, zu Protokoll.

Von den Landstreichern ist uns nichts überliefert, umso mehr vom emsigen Treiben der Poeten. In Maienzeiten flogen die Federn über das Büttenpapier. Die Zeit, in die Tasten zu hauen, war noch nicht gekommen. Da hob es ob all der Poesie zuweilen wohl auch die Tintenfässer aus der Halterung. „Gib mir Jugend, Sangeswonne, himmlischer Gebilde Schau, stärk mir den Blick zur Sonne, süßer, frischer Maientau“, schwelgte Dichter und Denker Ludwig Uhland anno 1812. Und Wolfgang Amadeus Mozart beflügelte wohl auch die Sehnsucht nach Schmetterlingen im Bauch, als er am 14. Jänner 1791 das Lied „Komm, lieber Mai, und mache“ komponierte. Mit sensationellem Erfolg, vom Kunstlied zum Volkslied, das haben nur noch Franz Schubert mit „Am Brunnen vor dem Tore“ und Johannes Brahms „Guten Abend, gut‘ Nacht“ geschafft. Allesamt Weisen, die gerne bei den Maifesten angestimmt werden, Feierlichkeiten, die schon seit dem 13. Jahrhundert in Europa auf dem Programm stehen.

Ach ja, auch die Maienzeit steht nicht still: Auf YouTube gibt es von „Komm, lieber Mai und mache“ eine Karaoke-Version zum Mitsingen.
Zurück zum Wetter mit einem Blick auf die Prognose für den Mai: Durchschnittlich soll er werden. Wenn’s stimmt ...