Eigentlich konnte die Keramik-Wanduhr in der Werkstatt gar nicht anders als stehen bleiben. Ein feiner Holzstaub hat sich auf die Fensterbänke, die Dosen mit den Schrauben und die grüne Drechselmaschine gelegt. Der Holzgeruch in der Luft macht ein wohlig-warmes Gefühl, mit der Sonne durchs staubige Fenster wird die Werkstatt endgültig zum Wohlfühlort. Dazwischen Holzlocken, auch auf den Ärmeln des wollenen Jankers des Hausherrn. "Per Sie, des gibt's bei mir net", stellt er sich vor, der Ederer Franz aus St. Kathrein am Offenegg, der sich selbst der Ratschenbauer nennt.

"Und nach einem Schnapserl red sich's gleich leichter", lacht er, ein bisserl schelmisch, und schenkt aus dem großen Glas ein. Selbst gepflückte Heidelbeeren, selbst angesetzt. Franz ist ein Handwerker, mit Leib und Seel. Und dann beginnt er zu erzählen. Als gelernter Wagner und Tischler ist er in die Fußstapfen seines Vaters getreten und hat dessen Werkstatt übernommen. 15 Jahre hat er in Deutschland gearbeitet, aber so, wie er seinen oststeirischen Dialekt nicht verloren hat, hat er auch nicht vergessen, wo er herkommt. Nach einer Operation mit Komplikationen wurde er in Invaliditätsrente geschickt. Das war 2001. Zwei Jahre später baute er seine erste Ratsche, damit die St. Kathreiner Jugend gemeinsam mit ihrem Kapellmeister dem alten Brauch des Ratschens wieder junges Leben einhauchen konnte.

Schweigende Glocken

Die Ratschen machen Lärm, weil von Karfreitag bis Ostern die Glocken schweigen. In der Leidenszeit Jesu fliegen ihre Klöppel nach Rom. Seit 1482 nehmen die Ratschen am Karfreitag ihren Platz ein und erinnern die Gläubigen an die Gebetszeiten, morgens, mittags und abends.

"Wir ratschen, wir ratschen, den englischen Gruaß, dass jeder Christ woaß, dass er beten muaß. Kniats nieda, kniats nieda auf eichere Knia, und bets a Vaterunser und a Ave Marie."

"Ruhig im Dialekt", lacht Franz, nachdem er den Ratschenspruch aufgesagt hat - ganz so, als wäre er selbst ein Ratschenbub, der mit lautem Kleppern durchs Dorf zieht. "Irgendwann ist das Spielchen zu Ende", spricht Franz auf einmal über den Tod, "und dann soll das Handwerk aber nicht vergessen werden." Gegen das Vergessen und für gelebte Tradition tourt der 65-Jährige daher durch Schulen und Kindergärten und zeigt, wie aus zwei Längsteilen, drei Querteilen, 17 Schrauben und einer Riffelwalze eine Flügelratsche wird.

"Nur keine Hektomatik", sagt er, als er sich über die Schablone beugt. "Bei mir geht alles mit Ruhe." Daher ist die Wanduhr gleich stehen geblieben.

Franz bohrt, schraubt und erzählt. Zuerst vom Fichtenholz, das er für das Ratschen-Gestell benutzt. Dann vom Vater, einem Kriegsversehrten, der mit einem Arm den Tischlerbetrieb geschupft hat. "Drei Kerben, das war das Zeichen vom Vater", sagt Franz, als er die drei Kerben in den Ratschengriff drechselt. Auch Handwerksbegriffe will er den Kindern und Eltern in seinen Kursen mitgeben.

Bündig und nicht bündig

"Längs- und Querteil müssen bündig sein", erklärt er beim Schrauben und meint, dass sie Kante an Kante abschließen müssen. Aber dann lacht er gleich wieder ein bisserl wie ein Spitzbub, denn: "Die Zunge, die lass ich zwei Millimeter drüberschauen. Dann schaut's gleich handwerklicher aus." Die Zunge aus Esche, sie ist es, die im Duett mit der harthölzernen Riffelwalze mit ihren zwölf Zähnen den Ratschenlärm macht.

Und dann der schönste Teil: das Brennen. Mit einem Schweißdraht wird die Ratsche personalisiert, bis es Flammen schlägt. Zum Holzgeruch gesellt sich ein bisschen Rauch, und dann steht da in verbranntem Braun zu lesen: "Frohe Ostern".