Echt regional, saisonal, erntefrisch, abwechslungsreich und nicht im beheizten Glashaus produziert - gibt's das bei Gemüse im österreichischen Winter? „Ja“, sagt Anna Ambrosch, die mit ihrem kleinen Biobetrieb, dem Jaklhof in Kainbach bei Graz, schon lange nicht mehr auf maximalen Ertrag hinarbeitet, sondern auf maximale Ressourcenschonung und eine unglaublich bunte Vielfalt auf dem Gemüseteller. Auch zwischen November und März. Zarte, frische Bundkarotten aus dem Freiland zu Weihnachten? Kein Problem. Radieschen, die sich auch bei weniger als 10 Stunden Tageslicht noch gut entwickeln? Alles da. Frostharte Wintersalate jenseits von Vogerlsalat und Chinakohl? „Welchen wollen Sie denn?“

Der Jaklhof war sozusagen prädestiniert, beim aktuellen Wintergemüse-Projekt des Bio-Austria-Verbandes teilzunehmen, bei dem man im Ringversuch in ganz Österreich über drei Winter probiert herauszufinden, welches Potenzial ungeheiztes Bio-Winterfrischgemüse in unseren Breitengraden hat.

Biobäuerin Anna Ambrosch erntet derzeit unter anderem frischen Palmkohl aus dem Freiland, „der ist bei uns noch immer ziemlich unbekannt“
Biobäuerin Anna Ambrosch erntet derzeit unter anderem frischen Palmkohl aus dem Freiland, „der ist bei uns noch immer ziemlich unbekannt“ © (c) Juergen Fuchs (FUCHS Juergen)

Der Gemüsebauforscher Wolfgang Palme von der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt Schönbrunn begleitet das Projekt wissenschaftlich. „In Schönbrunn beschäftigen wir uns schon seit zehn Jahren versuchsmäßig mit dem ungeheizten Wintergemüsebau“, sagt er. Dabei habe man festgestellt, dass sich hier eine ganz neue Dimension in der heimischen Gemüseversorgung öffnet, „weil hier Lebensmittel unglaublich ressourcenschonend und nachhaltig produziert werden können“.

Dass Salate weniger als minus zehn Grad aushalten, das stehe noch in keinem Lehrbuch. Die Frosthärte von Pflanzen sei nicht erforscht, Gemüse werde in seinem Frosthärtepotenzial maßlos unterschätzt, lautet sein Resümee.

Wintergemüse-Experte Wolfgang Palme
Wintergemüse-Experte Wolfgang Palme © LÖWENZAHNVERLAG

In der alten Gartenbauliteratur finde sich zwar viel über geniale Lagermethoden, aber wenig über Frischgemüse in der kalten Jahreszeit. „Der Winter ist bei uns als karge, eingeschränkte Jahreszeit abgespeichert, das gilt es, langsam zu ändern“, sagt der Wissenschaftler. Probieren geht dabei über Studieren. „Die Kunst im Wintergemüsebau ist es, den exakt richtigen Zeitpunkt für Aussaat und Pflanzung zu finden und zu testen, welche Sorten mit den erschwerten Wachstumsbedingungen im Winter am besten zurechtkommen.“ Die Frosthärte ist dabei keinesfalls das einzige Thema: „Für Kulturen im Folientunnel ist die Feuchtigkeit die größte Bedrohung, weil sie das Risiko gefährlicher Pilzkrankheiten mit sich bringt.“ Palmes Fazit: „Folientunnel oder Glashäuser brauchen keine Heizung, aber eine gute Belüftung.“

Was die Experimente im Rahmen des Bio-Austria-Projekts nach zwei Wintern jedenfalls schon deutlich zeigen: „Die südliche Steiermark gehört zu den stark begünstigten Regionen für den Anbau von Wintergemüse.“ Dass man dabei nicht vom gleichen Ertrag wie im Sommer ausgehen kann, versteht sich von selbst. Wintergemüse ist kleiner und bringt nicht so viel Gewicht auf die Waage. Bei den inneren Werten muss es den Vergleich allerdings nicht scheuen. „Eine erste wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema an der Boku Wien spricht jedenfalls sehr dafür“, sagt Palme.
Darüber hinaus seien es gerade Produkte wie Wintergemüse, die das Überleben von Kleinbetrieben bzw. Direktvermarktern erleichtern oder sichern könnten - als Gegengewicht zur Agrarindustrie mit ihrer Massenproduktion. „Immer mehr Konsumenten interessieren sich für die Geschichte der Lebensmittel“, ist Palmes Erfahrung. Und Bäuerinnen wie Anna Ambrosch können diese Geschichte authentisch erzählen.