In dem Theater wird heute wieder gespielt, auf Rumänisch, Ungarisch und Deutsch. Die Vielsprachigkeit ist eine Art Nachhall auf die polyglotte  Stadt, die Temeswar (Timisoara) bis in die 1930er-Jahre war. Im Vorjahr, als die westrumänische Metropole Europäische Kulturhauptstadt war, wurde hier Thomas Perles Drama „Sidy Thal – a schtikl“ in der Regie von Clemens Bechtel uraufgeführt. Im Vorfeld des Grazer Dramatiker|innenfestivals besorgte nun am Mittwoch Tristan Linder eine szenische Einrichtung des Werks im Kulturzentrum bei den Minoriten.

Die titelgebende Sidy Thal (1912-1983) war eine jüdisch-bukowinische Sängerin, auf die im November 1938 bei einem Gastspiel in Temeswar ein antisemitisches Attentat verübt wurde. Vier Menschen fielen ihm zum Opfer, aus politischen Gründen wurde der Anschlag vertuscht. Dementsprechend fokussiert der in Rumänien geborene, in Nürnberg aufgewachsene und in Wien lebende Autor Perle (Retzhofer Dramapreis 2019 für „karpatenflecken“) in seinem auf Jiddisch, Deutsch und Rumänisch verfassten Stück weniger auf die Künstlerin, die dem Attentat unverletzt entkam. Vielmehr skizziert er in straffen Dialogen das Klima zunehmender Bedrängung, in dem die jüdische Bevölkerung der einst so kosmopolitischen Stadt lebte, und zeigt das Attentat als Sprengsatz eines sozialen und politischen Zerfalls. Langer Applaus für Autor und Team und das vierköpfige Schauspielteam Anca Cipariu, Benjamin-Lew Klon, Ional Nitulescu und Maximilian Kurth.