Einst war er eine der lautesten Stimmen gegen das Regime des chilenischen Diktators Augusto Pinochet. Gab in unabhängig produzierten Dokumentation jenen eine Stimme, die unterdrückt wurden. Trat nach dem Tod Pinochets stets gegen das Vergessen von dessen Verbrechen ein. Nun ist es seine Stimme, seine Erinnerung, die langsam verblasst. Der Journalist Augusto Góngora leidet an Alzheimer.

Die Regisseurin Maite Alberdi, die Góngora und seine 17 Jahre jüngere Ehefrau Paulina Urrutia über mehrere Jahre begleitete, ist dem Thema Menschen mit geistigen Einschränkungen nicht fremd. In ihrem Film „The Grown-Ups“ porträtierte sie Menschen mit Downsyndrom. In „The Mole Agent“ waren es jene mit Demenz in einem Pflegeheim. In “Die unendliche Erinnerung” beobachtet sie wie Urrutia liebevoll versucht, mit ihrem Mann an den wenigen Erinnerungen festzuhalten, die ihm bleiben. Die ihn jeden Tag freudig aufs Neue begrüßt, ihm von seinem Leben erzählt, oder ihn mit ins Theater nimmt.

Zusätzliches Maß an Intimität

Teilweise auch aufgrund von COVID-19 und den Einschränkungen, die die Pandemie auf direkten Kontakt hatte, entstand viel Filmmaterial durch Urrutia selbst. Die Schauspielerin und ehemalige Kulturministerin unter der Regierung von Michelle Bachelet ist in ihrer Heimat selbst mit einer gewissen Prominenz behaftet. Das schafft noch einmal ein zusätzliches Maß an Intimität. Eine Vertrautheit mit Gesichtern, die viele sonst nur aus den Medien kennen.

Die Momente, die sich nicht um den Mikrokosmus des Alltags drehen, nutzt Alberdi um mittels Archivmaterial in die Vergangenheit zu blicken. Die Kinder, die Góngora aus einer früheren Beziehung hatte. Die tiefe und verspielte Liebe, die er und Urrutia zu Beginn ihrer Beziehung mit dem Camcorder festhielten. Die Selbstlosigkeit, mit der Góngora über das Regime berichtet hat, in dem Wissen, auch er könnte eines Tages verschleppt und ermordet werden.

Der Kontrast zu einem Mann, der über den Lauf des Films immer verwirrter, immer aggressiver wird, schmerzt. Die warme, scherzhafte Persönlichkeit verschwindet, nachts ruft er wütend nach seinen Freunden. „Ich bin nicht mehr ich selbst,” erklärt er Urrutia an einem Punkt im Film. Sein Wesen, seine Identität verschwindet. Zurück bleibt eine Hülle, ein Hauch dessen, was einen Menschen ausmacht, und was ihm solch eine Krankheit zwanghaft entreißt. ●●●●○