Könnte es einen besseren Ort für einen „Abend für Arnold Schönberg“ geben als den „Reaktor“? Reaktoren zerlegen Materie in ihre Teile und setzen Energie frei. Was Schönbergs Verzicht auf den Bezug zu einem Grundton auslöste, wollten der Dirigent Michael Boder und der Regisseur Johannes Erath mit ihrem rätselhaften Arrangement von Fragmenten seiner Werke spürbar machen. Die vom Zahn der Zeit benagten Säle des historistischen „Grand Etablissement Gschwandner“ in Hernals, heute „Reaktor“ genannt, bieten ihnen den faszinierenden Rahmen. Michael Boders plötzlicher Tod kurz vor der Premiere machte den bejubelten Abend auch zu einer Abschiedsfeier.

„Freitag, der Dreizehnte“ nennen Boder und Erath ihre Collage, in Anspielung auf die Angst des an einem 13. geborenen und gestorbenen Komponisten vor der Unglückszahl. 16 seiner Werke klingen an, teils live gesungen und gespielt, teils aus Lautsprechern. Das Publikum folgt der Musik durch die drei Säle des „Reaktors“, immer auf der Suche nach neuen Blick- und Hörwinkeln, wie der Komponist auch.

Ein beeindruckender Abend für Arnold Schönberg
Ein beeindruckender Abend für Arnold Schönberg © Werner Kmetitsch

Magdalena Anna Hofmann eröffnet den Abend mit frühen Brettl-Liedern, während sich Christine Schäfer im Clownskostüm für „Pierrot lunaire“ warmläuft. Im nächsten Saal dröhnt das Finale der spätromantisch hypertrophen „Gurrelieder“ aus Lautsprechern, verstärkt vom lässig in Kinositze gefläzten Schoenberg-Chor. Im dritten Saal, einer imposanten Säulenhalle, wartet das Klangforum Wien auf sein Publikum, nach Boders Tod souverän von Anna Sushon geleitet.

Wie im Zeitraffer zeigt die Revue die Entwicklung Schönbergs von den konventionellen Anfängen des Autodidakten bis zur Auflösung der Tonalität. Boder und Erath lassen Bearbeitungen von Strauß-Walzern erklingen, zitieren die ohne Bezug zu Tonarten komponierten Frühwerke und führen hin zur strengen Neuordnung der Musik, genannt „Zwölftontechnik“. Die rätselhaften Traumszenen entfalten ihre Wirkung auch ohne rationale Deutung. 

Das größte Verdienst um den Jubilar aber kommt den Musikerinnen und Musikern zu. Die Selbstverständlichkeit und Ausdruckskraft, mit der Hofmann und Schäfer Schönbergs Schöpfungen singen, öffnet auch Widerspenstigen die Ohren. Das Klangforum spielt seine komplexen Werke, als wäre es Mozart, der Arnold Schoenberg-Chor macht seinem Namenspatron alle Ehre. Das Publikum feierte Schönberg und seine begeisternden Interpretinnen mit echter Begeisterung.